Hegel

G.W.F. Hegel Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte

Einleitung

Geographische Grundlage der Weltgeschichte

Einteilung

Erster Teil. Die orientalische Welt

Erster Abschnitt: China

Zweiter Abschnitt: Indien

Buddhismus

Dritter Abschnitt: Persien

Erstes Kapitel. Das Zendvolk

Zweites Kapitel. Die Assyrer, Babylonier, Meder und Perser

Das persische Reich

Persien

Syrien und das semitische Vorderasien

Judäa

Ägypten

Übergang zur griechischen Welt

Zweiter Teil. Die griechische Welt

Erster Abschnitt: Die Elemente des griechischen Geistes

Zweiter Abschnitt: Die Gestaltungen der schönen Individualität

Erstes Kapitel.
Das subjektive Kunstwerk

Zweites Kapitel. Das objektive Kunstwerk

Drittes Kapitel. Das politische Kunstwerk

Die Kriege mit den Persern

Athen

Sparta

Der Peloponnesische Krieg

Das makedonische Reich

Dritter Abschnitt: Der Untergang des griechischen Geistes

Dritter Teil. Die römische Welt

Erster Abschnitt: Rom bis zum zweiten Punischen Kriege

Zweites Kapitel. Die Geschichte Roms bis zum zweiten punischen Kriege

Zweiter Abschnitt: Rom vom zweiten Punischen Kriege bis zum Kaisertum

Dritter Abschnitt
Erstes Kapitel. Rom in der Kaiserperiode

Zweites Kapitel. Das Christentum

Drittes Kapitel. Das byzantinische Reich

Vierter Teil. Die germanische Welt

Die Völkerwanderungen

Der Mohammedanismus

Das Reich Karls des Grossen

Zweiter Abschnitt: Das Mittelalter

Erstes Kapitel. Die Feudalität und die Hierarchie

Zweites Kapitel. Die Kreuzzüge

Drittes Kapitel. Der Übergang der Feudalherrschaft in die Monarchie

Kunst und Wissenschaft als Auflösung des Mittelalters

Dritter Abschnitt: Die neue Zeit

Erstes Kapitel. Die Reformation

Zweites Kapitel. Wirkung der Reformation auf die Staatsbildung

Drittes Kapitel. Die Aufklärung und Revolution

 

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G.W.F. Hegel
Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte

Erstes Kapitel. Die Reformation

Die Reformation ist aus dem Verderben der Kirche hervorgegangen. Das Verderben der Kirche ist nicht zufällig, nicht nur Mißbrauch der Gewalt und Herrschaft. Mißbrauch ist die sehr gewöhnliche Weise, ein Verderben zu benennen; es wird vorausgesetzt, daß die Grundlage gut, die Sache selbst mangellos, aber die Leidenschaften, subjektiven Interessen, überhaupt der zufällige Wille der Menschen jenes Gute als ein Mittel für sich gebraucht habe und daß es um nichts zu tun sei, als diese Zufälligkeiten zu entfernen. In solcher Vorstellung wird die Sache gerettet und das Übel als ein ihr nur Äußerliches genommen. Aber wenn eine Sache auf eine zufällige Weise mißbraucht wird, so ist dies nur im einzelnen, aber etwas ganz anderes ist ein allgemeines großes Übel in einer so großen und allgemeinen Sache, als eine Kirche ist. - Das Verderben der Kirche hat sich aus ihr selbst entwickelt; es hat eben sein Prinzip darin, daß das Dieses als ein Sinnliches in ihr, daß das Äußerliche, als ein solches, innerhalb ihrer selbst sich befindet. (Die Verklärung desselben durch die Kunst ist nicht hinreichend.) Der höhere, der Weltgeist hat das Geistige aus ihr bereits ausgeschlossen; sie nimmt keinen Teil daran und an der Beschäftigung mit demselben; sie behält so das Dieses an ihr; - es ist die sinnliche Subjektivität, die unmittelbare, welche nicht von ihr zur geistigen verklärt ist.
- Von jetzt an tritt sie hinter den Weltgeist zurück; er ist schon über sie hinaus, denn er ist dazu gekommen, das Sinnliche als Sinnliches, das Äußerliche als Äußerliches zu wissen, in dem Endlichen auf endliche Weise sich zu betätigen und eben in dieser Tätigkeit als eine gleichgültige, berechtigte Subjektivität bei sich selbst zu sein.

Solche Bestimmung, die von Hause aus in der Kirche ist, entfaltet sich notwendig erst als Verderben in ihr, wenn sie keinen Widerstand mehr hat, wenn sie fest geworden ist. Dann werden die Elemente frei und vollführen ihre Bestimmung. Diese Äußerlichkeit innerhalb der Kirche selbst ist es also, welche Übel und Verderben wird und als das Negative innerhalb ihrer selbst sich entwickelt. - Die Formen dieses Verderbens sind die mannigfaltigen Beziehungen, in denen sie selbst steht und in welche daher dieses Moment sich hineinträgt.

Es ist in dieser Frömmigkeit Aberglauben überhaupt, Gebundensein an ein Sinnliches, an ein gemeines Ding - in den verschiedensten Gestalten: - Sklaverei der Autorität, denn der Geist, als in ihm selbst außer sich, ist unfrei, außer sich festgehalten; - Wunderglauben der ungereimtesten und läppischsten Art, denn das Göttliche wird auf eine ganz vereinzelte und endliche Weise für ganz endliche und besondere Zwecke dazusein gemeint; - dann Herrschsucht, Schwelgerei, alle Verdorbenheit der Roheit und Gemeinheit, Heuchelei, Betrug, - alles dieses tut sich in ihr auf; denn das Sinnliche überhaupt ist in ihr nicht durch den Verstand gebändigt und gebildet; es ist frei geworden, und zwar frei nur auf eine rohe, wilde Weise. - Auf der andern Seite ist die Tugend der Kirche, als negativ gegen die Sinnlichkeit, nur abstrakt negativ; sie weiß nicht sittlich in derselben zu sein und ist daher nur fliehend, entsagend, unlebendig in der Wirklichkeit.

Diese Kontraste innerhalb ihrer - rohes Laster und Begierde und die alles aufopfernde Erhabenheit der Seele - werden noch stärker durch die Energie, in welcher der Mensch nun in seiner subjektiven Kraft gegen die äußerlichen Dinge, in der Natur sich fühlt, in welcher er sich frei weiß und so ein absolutes Recht nun für sich gewinnt. - Die Kirche, welche die Seelen aus dem Verderben retten soll, macht diese Rettung selbst zu einem äußeren Mittel und ist jetzt dazu herabgesunken, dieselbe auf eine äußerliche Weise zu bewerkstelligen. Der Ablaß der Sünden, die höchste Befriedigung, welche die Seele sucht, ihrer Einigkeit mit Gott gewiß zu sein, das Tiefste, Innerste wird dem Menschen auf die äußerlichste, leichtsinnigste Weise geboten - nämlich mit bloßem Gelde zu kaufen -, und zugleich geschieht dieses für die äußerlichsten Zwecke der Schwelgerei. Zwar ist ein Zweck wohl auch der Bau der Peterskirche, des herrlichen Baues der Christenheit in dem Mittelpunkte der Residenz der Religion. Aber wie das Kunstwerk aller Kunstwerke, die Athene und ihre Tempelburg zu Athen, von dem Gelde der Bundesgenossen Athens aufgerichtet wird und diese Stadt um ihre Bundesgenossen und ihre Macht bringt, so wird die Vollendung dieser Kirche des hl. Petrus und Michelangelos Jüngstes Gericht in der päpstlichen Kapelle das Jüngste Gericht und der Sturz dieses stolzen Baues.

Die alte und durch und durch bewahrte Innigkeit des deutschen Volkes hat aus dem einfachen, schlichten Herzen diesen Umsturz zu vollbringen. Während die übrige Welt hinaus ist nach Ostindien, Amerika - aus ist, Reichtümer zu gewinnen, eine weltliche Herrschaft zusammenzubringen, deren Land die Erde rings umlaufen und wo die Sonne nicht untergehen soll -, ist es ein einfacher Mönch, der das Dieses, das die Christenheit vormals in einem irdischen, steinernen Grabe suchte, vielmehr in dem tieferen Grabe der absoluten Idealität alles Sinnlichen und Äußerlichen, in dem Geiste findet und in dem Herzen zeigt - dem Herzen, das, unendlich verletzt durch diese dem Bedürfnisse des Innersten geschehene Darbietung des Äußerlichsten, die Verrückung des absoluten Verhältnisses der Wahrheit in allen einzelnen Zügen erkennt, verfolgt und zerstört. Luthers einfache Lehre ist, daß das Dieses, die unendliche Subjektivität, d. i. die wahrhafte Geistigkeit, Christus, auf keine Art in äußerlicher Weise gegenwärtig und wirklich ist, sondern als Geistiges überhaupt nur in der Versöhnung mit Gott erlangt wird - im Glauben und im Genusse. Diese zwei Worte sagen alles. Es ist nicht das Bewußtsein eines sinnlichen Dinges als des Gottes noch auch eines bloß Vorgestellten, das nicht wirklich und gegenwärtig ist, sondern von einem Wirklichen, das nicht sinnlich ist. Diese Entfernung der Äußerlichkeit rekonstruiert alle Lehren und reformiert allen Aberglauben, in den die Kirche konsequent auseinandergegangen ist. Sie betrifft hauptsächlich die Lehre von den Werken; denn die Werke sind das auf irgendeine Weise nicht im Glauben, im eigenen Geiste, sondern äußerlich auf Autorität usf. Vollbrachte. Der Glaube aber ist ebensowenig nur die Gewißheit von bloß endlichen Dingen - eine Gewißheit, die nur dem endlichen Subjekte angehört, wie etwa der Glaube, daß dieser und jener existiert und dies und jenes gesagt hat, oder der, daß die Kinder Israel trockenen Fußes durchs Rote Meer gegangen, daß vor den Mauern von Jericho die Posaunen so stark gewirkt haben wie unsere Kanonen, denn wenn auch von diesem allen nichts gemeldet wäre, so wäre unsere Kenntnis von Gott darum nicht unvollständiger, - er ist überhaupt nicht Glauben an Abwesendes, Geschehenes und Vergangenes, sondern die subjektive Gewißheit des Ewigen, der an und für sich seienden Wahrheit, der Wahrheit von Gott. Von dieser Gewißheit sagt die lutherische Kirche, daß sie nur der Heilige Geist bewirkt, d. h. eine Gewißheit, die nicht dem Individuum nach seiner partikulären Besonderheit, sondern nach seinem Wesen zukommt. - Die lutherische Lehre ist darum ganz die katholische, aber ohne das, was alles aus jenem Verhältnisse der Äußerlichkeit fließt, insofern die katholische Kirche dieses Äußerliche behauptet. Luther hat darum nicht anders können, als in der Lehre vom Nachtmahl, worin sich alles konzentriert, nichts nachzugeben. Auch der reformierten Kirche konnte er nicht zugeben, daß Christus ein bloßes Andenken, eine Erinnerung sei, sondern er stimmte darin vielmehr mit der katholischen Kirche überein, daß Christus ein Gegenwärtiges sei, aber im Glauben, im Geiste. Der Geist Christi erfülle wirklich das menschliche Herz, Christus sei also nicht bloß als historische Person zu nehmen, sondern der Mensch habe zu ihm ein unmittelbares Verhältnis im Geiste.

Indem das Individuum nun weiß, daß es mit dem göttlichen Geiste erfüllt ist, so fallen damit alle Verhältnisse der Äußerlichkeit weg: es gibt jetzt keinen Unterschied mehr zwischen Priestern und Laien, es ist nicht eine Klasse ausschließlich im Besitz des Inhalts der Wahrheit wie aller geistigen und zeitlichen Schätze der Kirche; sondern es ist das Herz, die empfindende Geistigkeit des Menschen, die in den Besitz der Wahrheit kommen kann und kommen soll, und diese Subjektivität ist die aller Menschen. Jeder hat an sich selbst das Werk der Versöhnung zu vollbringen. - Der subjektive Geist soll den Geist der Wahrheit in sich aufnehmen und in sich wohnen lassen. Hiermit ist die absolute Innigkeit der Seele, die der Religion selbst angehört, und die Freiheit in der Kirche gewonnen. Die Subjektivität macht sich nun den objektiven Inhalt, d. h. die Lehre der Kirche zu eigen. In der lutherischen Kirche ist die Subjektivität und Gewißheit des Individuums ebenso notwendig als die Objektivität der Wahrheit. Die Wahrheit ist den Lutheranern nicht ein gemachter Gegenstand, sondern das Subjekt selbst soll ein wahrhaftes werden, indem es seinen partikulären Inhalt gegen die substantielle Wahrheit aufgibt und sich diese Wahrheit zu eigen macht. So wird der subjektive Geist in der Wahrheit frei, negiert seine Partikularität und kommt zu sich selbst in seiner Wahrheit. So ist die christliche Freiheit wirklich geworden. Wenn man die Subjektivität bloß in das Gefühl setzt ohne diesen Inhalt, so bleibt man bei dem bloß natürlichen Willen stehen.

Hiermit ist das neue, das letzte Panier aufgetan, um welches die Völker sich sammeln, die Fahne des freien Geistes, der bei sich selbst, und zwar in der Wahrheit ist und nur in ihr bei sich selbst ist. Dies ist die Fahne, unter der wir dienen und die wir tragen. Die Zeit von da bis zu uns hat kein anderes Werk zu tun gehabt und zu tun, als dieses Prinzip in die Welt hineinzubilden, indem die Versöhnung an sich und die Wahrheit auch objektiv wird, der Form nach. Der Bildung überhaupt gehört die Form an; Bildung ist Betätigung der Form des Allgemeinen, und das ist das Denken überhaupt. Recht, Eigentum, Sittlichkeit, Regierung, Verfassung usw. müssen nun auf allgemeine Weise bestimmt werden, damit sie dem Begriffe des freien Willens gemäß und vernünftig seien. So nur kann der Geist der Wahrheit im subjektiven Willen, in der besonderen Tätigkeit des Willens erscheinen; indem die Intensität des subjektiven freien Geistes sich zur Form der Allgemeinheit entschließt, kann der objektive Geist erscheinen. In diesem Sinne muß man es fassen, daß der Staat auf Religion gegründet sei. Staaten und Gesetze sind nichts anderes als das Erscheinende der Religion an den Verhältnissen der Wirklichkeit.

Dies ist der wesentliche Inhalt der Reformation; der Mensch ist durch sich selbst bestimmt, frei zu sein.

Die Reformation hat im Anfang nur einzelne Seiten der Verderbnis der katholischen Kirche betroffen, Luther wollte in Gemeinsamkeit mit der ganzen katholischen Welt handeln und verlangte Kirchenversammlungen. In allen Ländern fanden sich Beistimmende für seine Behauptungen. Wenn man den Protestanten und Luther Übertreibung oder gar Verleumdung in ihrer Beschreibung des Verderbens der Kirche vorgeworfen hat, so braucht man nur die Katholiken selbst, insbesondere in den offiziellen Akten der Kirchenversammlungen, über denselben Gegenstand zu hören. Der Widerstreit Luthers aber, der zuerst nur beschränkte Punkte betraf, dehnte sich bald auf die Dogmen aus, betraf nicht Individuen, sondern zusammenhängende Institutionen, das Klosterleben, die weltliche Herrschaft der Bischöfe usw.; er betraf nicht bloß einzelne Aussprüche des Papstes und der Konzilien, sondern die ganze Art und Weise solchen Entscheidens überhaupt, endlich die Autorität der Kirche. Luther hat diese Autorität verworfen und an ihre Stelle die Bibel und das Zeugnis des menschlichen Geistes gesetzt. Daß nun die Bibel selbst die Grundlage der christlichen Kirche geworden ist, ist von der größten Wichtigkeit: jeder soll sich nun selbst daraus belehren, jeder sein Gewissen daraus bestimmen können. Dies ist die ungeheure Veränderung im Prinzip: die ganze Tradition und das Gebäude der Kirche wird problematisch und das Prinzip der Autorität der Kirche umgestoßen. Die Übersetzung, welche Luther von der Bibel gemacht hat, ist von unschätzbarem Werte für das deutsche Volk gewesen. Dieses hat dadurch ein Volksbuch erhalten, wie keine Nation der katholischen Welt ein solches hat; sie haben wohl eine Unzahl von Gebetbüchlein, aber kein Grundbuch zur Belehrung des Volkes. Trotzdem hat man in neueren Zeiten Streit deshalb erhoben, ob es zweckmäßig sei, dem Volke die Bibel in die Hand zu geben; die wenigen Nachteile, die dieses hat, werden doch bei weitem von den ungeheuren Vorteilen überwogen; die äußerlichen Geschichten, die dem Herzen und Verstande anstößig sein könnten, weiß der religiöse Sinn sehr wohl zu unterscheiden, und sich an das Substantielle haltend, überwindet er sie. Wenn auch endlich die Bücher, welche Volksbücher sein sollten, nicht so oberflächlich wären, als sie es sind, so gehört zu einem Volksbuche doch notwendig, daß es das Ansehen des einzigen habe. Dies ist aber nicht leicht, denn wird auch ein sonst gutes gemacht, so findet doch jeder Pfarrer daran auszusetzen und macht ein besseres. In Frankreich hat man sehr wohl das Bedürfnis eines Volksbuches gefühlt, es sind große Preise darauf gesetzt worden, aber aus dem eben angegebenen Grunde ist keines zustande gekommen. Daß es ein Volksbuch gebe, dazu ist vor allen Dingen auch nötig, daß das Volk lesen könne, was in den katholischen Ländern wenig der Fall ist.

Durch die Verleugnung der Autorität der Kirche wurde die Scheidung notwendig. Das Tridentinische Konzilium setzte die Grundsätze der katholischen Kirche fest, und nach diesem Konzilium konnte von einer Vereinigung nicht mehr die Rede sein. Leibniz ließ sich noch mit dem Bischof Bossuet über die Vereinigung der Kirchen ein, aber das Tridentinische Konzilium bleibt das unübersteigliche Hindernis. Die Kirchen wurden Parteien gegeneinander, denn auch in Ansehung der weltlichen Ordnung trat ein auffallender Unterschied ein. In den nicht katholischen Ländern wurden die Klöster und Bistümer aufgehoben und das Eigentumsrecht derselben nicht anerkannt; der Unterricht wurde anders organisiert, die Fasten, die heiligen Tage abgeschafft. So war auch eine weltliche Reform in Ansehung des äußerlichen Zustandes, denn auch gegen die weltliche Herrschaft empörte man sich an vielen Orten. Die Wiedertäufer verjagten in Münster den Bischof und richteten eine eigene Herrschaft ein, und die Bauern standen in Masse auf, um von dem Druck, der auf ihnen lastete, befreit zu werden. Doch war zu einer politischen Umgestaltung, als Konsequenz der kirchlichen Reformation, die Welt damals noch nicht reif. - Auch auf die katholische Kirche hat die Reformation einen wesentlichen Einfluß gehabt: sie hat die Zügel fester angezogen und hat das, was ihr am meisten zur Schande gereichte, das Schreiendste der Mißbräuche abgeschafft. Vieles, was außerhalb ihres Prinzips lag und worin sie bisher unbefangen mitgegangen war, verwarf sie nun, die Kirche machte halt: bis hierher und nicht weiter; sie trennte sich von der aufblühenden Wissenschaft, von der Philosophie und humanistischen Literatur und hatte bald Gelegenheit, ihren Widerwillen gegen Wissenschaftliches kundzugeben. Der berühmte Kopernikus hatte gefunden, daß die Erde und die Planeten sich um die Sonne drehen, aber gegen diesen Fortschritt erklärte sich die Kirche. Galilei, der in einem Dialoge die Gründe für und wider die neue Entdeckung des Kopernikus auseinandergelegt hatte (allerdings so, daß er sich für dieselbe erklärte), mußte auf den Knien für dieses Verbrechen Abbitte tun. Die griechische Literatur wurde nicht zur Grundlage der Bildung gemacht; die Erziehung wurde den Jesuiten übergeben. - So sinkt der Geist der katholischen Welt im ganzen zurück.

Eine Hauptfrage, welche jetzt zu beantworten ist, wäre, warum die Reformation in ihrer Ausbreitung sich nur auf einige Nationen beschränkt hat und warum sie nicht die ganze katholische Welt durchdrang. Die Reformation ist in Deutschland aufgegangen und auch nur von den rein germanischen Völkern erfaßt worden, denn außer Deutschland setzte sie sich auch in Skandinavien und England fest. Die romanischen und slawischen Nationen haben sich aber fern davon gehalten. Selbst Süddeutschland hat die Reform nur teilweise aufgenommen, sowie überhaupt der Zustand daselbst ein gemischter war. In Schwaben, Franken und den Rheinländern waren eine Menge von Klöstern und Bistümern sowie viele freie Reichsstädte, und an diese Existenzen knüpfte sich die Aufnahme oder die Verwerfung der Reformation, denn es wurde vorhin schon bemerkt, daß die Reform zugleich eine ins politische Leben eingreifende Veränderung war. Ferner ist auch die Autorität viel wichtiger, als man zu glauben geneigt ist. Es gibt gewisse Voraussetzungen, die auf Autorität angenommen werden, und so entschied auch bloß die Autorität oft für und wider die Annahme der Reformation. In Österreich, in Bayern, in Böhmen hatte die Reformation schon große Fortschritte gemacht, und obgleich man sagt: wenn die Wahrheit einmal die Gemüter durchdrungen hat, so kann sie ihnen nicht wieder entrissen werden, so ist sie doch hier durch die Gewalt der Waffen, durch List oder Überredung wieder erdrückt worden. Die slawischen Nationen waren ackerbauende. Dieses Verhältnis führt aber das von Herren und Knechten mit sich. Beim Ackerbau ist das Treiben der Natur überwiegend; menschliche Betriebsamkeit und subjektive Aktivität findet im ganzen bei dieser Arbeit weniger statt. Die Slawen sind daher langsamer und schwerer zum Grundgefühl des subjektiven Selbsts, zum Bewußtsein des Allgemeinen, zu dem, was wir früher Staatsmacht genannt haben, gekommen, und sie haben nicht an der aufgehenden Freiheit teilnehmen können.
- Aber auch die romanischen Nationen, Italien, Spanien, Portugal und zum Teil auch Frankreich, hat die Reformation nicht durchdrungen. Viel hat wohl die äußere Gewalt vermocht, doch darauf allein kann man sich nicht berufen, denn wenn der Geist einer Nation etwas verlangt, so bändigt ihn keine Gewalt; man kann auch von diesen Nationen nicht sagen, daß es ihnen an Bildung gefehlt habe, im Gegenteil, sie waren darin vielleicht den Deutschen voraus. Es lag vielmehr im Grundcharakter dieser Nationen, daß sie die Reformation nicht angenommen haben. Was ist aber dieses Eigentümliche ihres Charakters, das ein Hindernis der Freiheit des Geistes gewesen ist? Die reine Innigkeit der germanischen Nation war der eigentliche Boden für die Befreiung des Geistes, die romanischen Nationen dagegen haben im innersten Grunde der Seele, im Bewußtsein des Geistes die Entzweiung beibehalten: sie sind aus der Vermischung des römischen und germanischen Blutes hervorgegangen und behalten dieses Heterogene immer noch in sich. Der Deutsche kann es nicht leugnen, daß die Franzosen, Italiener, Spanier mehr Charakterbestimmtheit besitzen, einen festen Zweck (mag dieser nun auch eine fixe Vorstellung zum Gegenstande haben) mit vollkommenem Bewußtsein und der größten Aufmerksamkeit verfolgen, einen Plan mit großer Besonnenheit durchführen und die größte Entschiedenheit in Ansehung bestimmter Zwecke beweisen. Die Franzosen nennen die Deutschen entiers, ganz, d. h. eigensinnig; sie kennen auch nicht die närrische Originalität der Engländer. Der Engländer hat das Gefühl der Freiheit im besonderen; er bekümmert sich nicht um den Verstand, sondern, im Gegenteil, fühlt sich um so mehr frei, je mehr das, was er tut oder tun kann, gegen den Verstand, d. h. gegen allgemeine Bestimmungen, ist. Aber dann zeigt sich sogleich bei den romanischen Völkern diese Trennung, das Festhalten eines Abstrakten, und damit nicht diese Totalität des Geistes, des Empfindens, die wir Gemüt heißen, nicht dies Sinnen über den Geist selbst in sich, - sondern sie sind im Innersten außer sich. Das Innere ist ein Ort, dessen Tiefe ihr Gefühl nicht auffaßt, denn es ist bestimmten Interessen verfallen, und die Unendlichkeit des Geistes ist nicht darin. Das Innerste ist nicht ihr eigen. Sie lassen es gleichsam drüben liegen und sind froh, daß es sonst abgemacht wird. Das Anderwärts, dem sie es überlassen, ist eben die Kirche. Freilich haben sie auch selbst damit zu tun, aber weil dies Tun nicht ihr selbsteigenes ist, so machen sie es auf äußerliche Weise ab. Eh bien, sagt Napoleon, wir werden wieder in die Messe gehen, und meine Schnurrbärte werden sagen: das ist die Parole! Das ist der Grundzug dieser Nationen, Trennung des religiösen Interesses und des weltlichen, d. i. des eigentümlichen Selbstgefühls; und der Grund dieser Entzweiung ist im Innersten selbst, welches jenes Gesammeltsein, jene tiefste Einheit verloren hat. Die katholische Religion nimmt nicht wesentlich das Weltliche in Anspruch, sondern die Religion bleibt eine gleichgültige Sache auf der einen Seite, und die andere Seite ist verschieden davon und für sich. Gebildete Franzosen haben daher einen Widerwillen gegen den Protestantismus, denn er erscheint ihnen als etwas Pedantisches, als etwas Trauriges, kleinlich Moralisches, weil der Geist und das Denken mit der Religion selbst zu tun haben müßte; bei der Messe hingegen und anderen Zeremonien ist es nicht nötig, daran zu denken, sondern man hat eine imposante, sinnliche Erscheinung vor Augen, bei welcher man plappern kann ohne alle Aufmerksamkeit und doch das Nötige abtut.

Es ist schon oben von dem Verhältnis der neuen Kirche zur Weltlichkeit gesprochen worden, und jetzt ist nur noch das Nähere anzugeben. Die Entwicklung und der Fortschritt des Geistes von der Reformation an besteht darin, daß der Geist, wie er sich seiner Freiheit durch die Vermittlung, welche zwischen dem Menschen und Gott vorgeht, jetzt bewußt ist in der Gewißheit des objektiven Prozesses als des göttlichen Wesens selbst, diesen nun auch ergreift und in der Weiterbildung des Weltlichen durchmacht. Es ist durch die errungene Versöhnung das Bewußtsein gegeben, daß das Weltliche fähig ist, das Wahre in ihm zu haben, wogegen das Weltliche vorher nur für böse galt, unfähig des Guten, welches ein Jenseits blieb. Es wird nun gewußt, daß das Sittliche und Rechte im Staate auch das Göttliche und das Gebot Gottes sind und daß es dem Inhalte nach kein Höheres, Heiligeres gibt. Daraus folgt, daß die Ehe nicht mehr die Ehelosigkeit über sich hat. Luther hat eine Frau genommen, um zu zeigen, daß er die Ehe achte, die Verleumdungen, die ihm daraus entstehen würden, nicht fürchtend. Es war seine Pflicht, es zu tun, sowie freitags Fleisch zu essen, um zu beweisen, daß dergleichen erlaubt und recht ist, gegen die vermeintliche höhere Achtung der Entbehrung. Der Mensch tritt durch die Familie in die Gemeinsamkeit, in die Wechselbeziehung der Abhängigkeit in der Gesellschaft, und dieser Verband ist ein sittlicher; wogegen die Mönche, getrennt aus der sittlichen Gesellschaft, gleichsam das stehende Heer des Papstes ausmachten, wie die Janitscharen die Grundlage der türkischen Macht. Mit der Priesterehe verschwindet nun auch der äußere Unterschied zwischen Laien und Geistlichen. - Die Arbeitslosigkeit hat nun auch nicht mehr als ein Heiliges gegolten, sondern es wurde als das Höhere angesehen, daß der Mensch in der Abhängigkeit durch Tätigkeit und Verstand und Fleiß sich selber unabhängig macht. Es ist rechtschaffener, daß, wer Geld hat, kauft, wenn auch für überflüssige Bedürfnisse, statt es an Faulenzer und Bettler zu verschenken; denn er gibt es an eine gleiche Anzahl von Menschen, und die Bedingung ist wenigstens, daß sie tätig gearbeitet haben. Die Industrie, die Gewerbe sind nunmehr sittlich geworden, und die Hindernisse sind verschwunden, die ihnen von seiten der Kirche entgegengesetzt wurden. Die Kirche nämlich hatte es für eine Sünde erklärt, Geld gegen Interessen auszuleihen; die Notwendigkeit der Sache aber führte gerade zum Gegenteil. Die Lombarden (daher auch der französische Ausdruck lombard für Leihhaus) und besonders die Mediceer haben den Fürsten in ganz Europa Geld vorgestreckt. - Das dritte Moment der Heiligkeit in der katholischen Kirche, der blinde Gehorsam, ist ebenso aufgehoben worden. Es wurde jetzt der Gehorsam gegen die Staatsgesetze als die Vernunft des Wollens und des Tuns zum Prinzip gemacht. In diesem Gehorsam ist der Mensch frei, denn die Besonderheit gehorcht dem Allgemeinen. Der Mensch hat selbst ein Gewissen und daher frei zu gehorchen. Damit ist die Möglichkeit einer Entwicklung und Einführung der Vernunft und Freiheit gesetzt, und was die Vernunft ist, das sind nun auch die göttlichen Gebote. Das Vernünftige erfährt keinen Widerspruch mehr von seiten des religiösen Gewissens; es kann sich auf seinem Boden ruhig entwickeln, ohne Gewalt gegen das Entgegengesetzte gebrauchen zu müssen. Das Entgegengesetzte aber hat in der katholischen Kirche absolute Berechtigung. Die Fürsten können zwar immer noch schlecht sein, aber sie werden nicht mehr dazu von seiten des religiösen Gewissens berechtigt und aufgefordert. In der katholischen Kirche dagegen kann das Gewissen sehr wohl den Staatsgesetzen entgegengesetzt werden. Königsmorde, Staatsverschwörungen und dergleichen sind von den Priestern oft unterstützt und ausgeführt worden.

Diese Versöhnung des Staates und der Kirche ist für sich unmittelbar eingetreten. Es ist noch keine Rekonstruktion des Staats, des Rechtssystems usf., denn was an sich recht ist, muß im Gedanken erst gefunden werden. Die Gesetze der Freiheit haben sich noch erst zu einem Systeme von dem, was an und für sich recht ist, ausbilden müssen. Der Geist tritt nach der Reformation nicht gleich in dieser Vollendung auf, denn sie beschränkt sich zunächst auf unmittelbare Veränderungen, wie z. B. das Aufheben der Klöster, Bistümer usw. Die Versöhnung Gottes mit der Welt war zunächst noch in abstrakter Form, noch nicht zu einem System der sittlichen Welt entwickelt.

Die Versöhnung soll zunächst im Subjekte als solchem vorgehen, in seiner bewußten Empfindung; das Subjekt soll sich dessen versichern, daß der Geist in ihm wohne, daß es, nach der kirchlichen Sprache, zum Bruch seines Herzens und zum Durchbruch der göttlichen Gnade in ihm gekommen sei. Der Mensch ist nicht von Natur, wie er sein soll; er kommt erst durch den Prozeß der Umbildung zur Wahrheit. Dies ist eben das Allgemeine und Spekulative, daß das menschliche Herz nicht ist, was es sein soll. Es ist nun verlangt worden, daß das Subjekt dessen, was es an sich ist, sich bewußt werde, das heißt, die Dogmatik wollte, daß der Mensch wisse, daß er böse sei. Aber das Individuum ist erst böse, wenn das Natürliche in der sinnlichen Begierde, der Wille des Ungerechten ungebrochen, unerzogen, gewalttätig zur Existenz kommt; und dennoch wird verlangt, er solle wissen, daß er böse sei und daß der gute Geist in ihm wohne; er soll somit auf unmittelbare Weise haben und durchmachen, was in spekulativer Weise an sich ist. Indem die Versöhnung nun diese abstrakte Form angenommen hat, ist der Mensch in diese Qual versetzt worden, sich das Bewußtsein seiner Sündhaftigkeit aufzuzwingen und sich als böse zu wissen. Die unbefangensten Gemüter und unschuldigsten Naturen sind grüblerischerweise den geheimsten Regungen ihres Herzens gefolgt, um sie genau zu beobachten. Mit dieser Pflicht ist auch die entgegengesetzte verbunden worden, nämlich der Mensch soll auch wissen, daß der gute Geist in ihm wohne, daß die göttliche Gnade in ihm zum Durchbruche gekommen sei. Man hat eben den großen Unterschied nicht berücksichtigt: wissen, was an sich ist, und wissen, was in der Existenz ist. Es ist die Qual der Ungewißheit, ob der gute Geist dem Menschen inwohne, eingetreten, und der ganze Prozeß der Umbildung hat im Subjekte selbst gewußt werden sollen. Einen Nachklang von dieser Qual haben wir noch in vielen geistlichen Liedern aus jener Zeit; die Psalmen Davids, welche einen ähnlichen Charakter an sich tragen, waren damals auch als Kirchengesänge eingeführt. Der Protestantismus hat diese Wendung eines kleinlichen Grübelns über den subjektiven Seelenzustand und der Wichtigkeit der Beschäftigung damit genommen und lange Zeit den Charakter einer innerlichen Quälerei und einer Jämmerlichkeit in sich gehabt, was heutzutage viele bewogen hat, zum Katholizismus überzutreten, um gegen diese innere Ungewißheit eine förmliche breite Gewißheit an dem imponierenden Ganzen der Kirche zu erhalten. Auch in die katholische Kirche kam eine gebildete Reflexion über die Handlungen herein. Die Jesuiten haben ebenso grüblerisch den ersten Anfängen des Wollens (velleitas) nachgedacht; sie haben aber die Kasuistik besessen, für alles einen guten Grund zu finden und somit das Böse zu entfernen.

Hiermit hängt auch noch eine weitere wunderbare Erscheinung zusammen, welche der katholischen und protestantischen Welt gemeinschaftlich gewesen. Der Mensch ist ins Innerliche, Abstrakte getrieben, und das Geistliche ist als vom Weltlichen verschieden gehalten worden.
Das aufgegangene Bewußtsein der Subjektivität des Menschen, der Innerlichkeit seines Wollens hat den Glauben an das Böse, als eine ungeheure Macht der Weltlichkeit, mitgebracht. Dieser Glaube ist dem Ablaß parallel: so wie man sich für den Preis des Geldes die ewige Seligkeit erkaufen konnte, so glaubte man nun, man könne für den Preis seiner Seligkeit durch einen mit dem Teufel gemachten Bund sich die Reichtümer der Welt und die Macht für seine Begierden und Leidenschaften erkaufen. So ist jene berühmte Geschichte von Faust entstanden, der sich aus Überdruß der theoretischen Wissenschaft in die Welt gestürzt und mit Verlust seiner Seligkeit alle Herrlichkeit derselben erkauft habe. Faust hätte dafür, nach dem Dichter, die Herrlichkeit der Welt genossen; aber jene armen Weiber, die man Hexen nannte, sollten nur die Befriedigung einer kleinen Rache an ihrer Nachbarin gehabt haben, wenn sie der Kuh die Milch versetzten oder das Kind krank machten. Man hat aber gegen sie nicht die Größe des Schadens beim Verderben der Milch oder Krankwerden des Kindes usf. in Anschlag gebracht, sondern hat abstrakt die Macht des Bösen in ihnen verfolgt. So sind denn in dem Glauben an diese abgetrennte, besondere Macht der Weltlichkeit, an den Teufel und dessen List in den katholischen sowohl wie in den protestantischen Ländern eine unendliche Menge von Hexenprozessen eingeleitet worden. Man konnte den Angeklagten ihre Schuld nicht beweisen, man hatte sie nur in Verdacht: es war somit nur ein unmittelbares Wissen, worauf sich diese Wut gegen das Böse gründete. Man sah sich allerdings genötigt, zu Beweisen fortzugehen, aber die Grundlage der Prozesse war nur eben der Glaube, daß Personen die Macht des Bösen haben. Es war dies wie eine ungeheure Pest, welche die Völker vorzüglich im sechzehnten Jahrhundert durchrast hat. Der Hauptgrund war die Verdächtigkeit. In gleicher Fürchterlichkeit erscheint dieses Prinzip des Verdachts unter der römischen Kaiserherrschaft und unter der Schreckensherrschaft Robespierres, wo die Gesinnung als solche bestraft wurde. Bei den Katholiken waren es die Dominikaner, welchen, wie die Inquisition überhaupt, so auch die Hexenprozesse anvertraut waren. Gegen sie schrieb der Pater Spee, ein edler Jesuit, (von ihm rührt auch eine Sammlung herrlicher Gedichte unter dem Titel Trutznachtigall her) eine Schrift34) , aus welcher man in diesen Fällen die ganze Fürchterlichkeit der Kriminaljustiz kennenlernt. Die Tortur, welche nur einmal angewendet werden sollte, wurde so lange fortgesetzt, bis das Geständnis erfolgte. Wenn die angeklagte Person aus Schwäche bei der Tortur in Ohnmacht verfiel, so hieß es, der Teufel gebe ihr Schlaf; bekam sie Krämpfe, so sagte man, der Teufel lache aus ihr; hielt sie standhaft aus, der Teufel gebe ihr Kraft. Wie eine epidemische Krankheit haben sich diese Verfolgungen über Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland verbreitet. Der ernste Einspruch aufgeklärter Männer wie Spees und anderer bewirkte schon sehr viel. Mit dem größten Erfolg widersetzte sich aber zuerst Thomasius35) , Professor zu Halle, diesem durchgreifenden Aberglauben. Die ganze Erscheinung ist an und für sich höchst wunderbar, wenn wir bemerken, wie es noch gar nicht lange ist, daß wir aus dieser furchtbaren Barbarei heraus sind (noch im Jahre 1780 wurde zu Glarus in der Schweiz eine Hexe verbrannt). Bei den Katholiken war die Verfolgung ebensowohl gegen die Ketzer als gegen die Hexen gerichtet; beides war ungefähr in eine Kategorie gestellt, der Unglaube der Ketzer galt ebenso schlechthin für das Böse.

Von dieser abstrakten Form der Innerlichkeit abgehend, haben wir jetzt die weltliche Seite zu betrachten, die Staatsbildung und das Aufgehen des Allgemeinen, das Bewußtwerden allgemeiner Gesetze der Freiheit. Dies ist das andere und wesentliche Moment.

34) Friedrich Spee von Langenfeld, Cautio Criminalis, 1631

35) Christian Thomasius, 1655-1728, Philosoph

 

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Manfred Herok  2013

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