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Zweites Kapitel. Wirkung der Reformation auf die Staatsbildung
Was die Staatsbildung anbetrifft, so sehen wir zunächst die Monarchie sich befestigen und den Monarchen mit der Staatsmacht angetan sein. Wir haben schon früher das beginnende Hervortreten der Königsmacht und die werdende Einheit der Staaten gesehen. Dabei bestand die ganze Masse von Privatverbindlichkeiten und Rechten fort, die aus dem Mittelalter überliefert worden. Unendlich wichtig ist diese Form von Privatrechten, welche die Momente der Staatsgewalt erlangt haben. An der obersten Spitze derselben ist nun dies Positive, daß eine ausschließende Familie als die regierende Dynastie existiert, daß die Folge der Könige nach Erbrecht, und zwar nach der Primogenitur bestimmt ist. Daran hat der Staat einen unverrückbaren Mittelpunkt. Weil Deutschland ein Wahlreich war, deswegen ist es nicht ein Staat geworden, und aus demselben Grunde ist Polen aus der Reihe der selbständigen Staaten verschwunden. Der Staat muß einen letzten entscheidenden Willen haben; soll aber ein Individuum das letzte entscheidende sein, so muß es auf unmittelbare natürliche Weise, nicht nach Wahl, Einsicht u. dgl. bestimmt werden. Selbst bei den freien Griechen war das Orakel die äußerliche Macht, die sie in ihren Hauptangelegenheiten bestimmte; hier ist nun die Geburt das Orakel, ein Etwas, das unabhängig ist von aller Willkür. Dadurch aber, daß die oberste Spitze einer Monarchie einer Familie angehört, erscheint die Herrschaft als Privateigentum derselben. Nun wäre dieses als solches teilbar; da jedoch die Teilbarkeit dem Begriffe des Staates widerspricht, so mußten die Rechte des Monarchen und der Familie desselben genauer bestimmt werden. Es gehören die Domänen nicht dem einzelnen Oberhaupte, sondern der Familie als Fideikommisse, und die Garantie darüber haben die Stände, denn diese haben die Einheit zu bewachen. So geht nun das fürstliche Eigentum aus der Bedeutung von Privateigentum und eines Privatbesitzes von Gütern und Domänen und Gerichtsbarkeiten usf. in Staatseigentum und Staatsgeschäft über.
Ebenso wichtig und damit zusammenhängend ist die Verwandlung der Gewalten, Geschäfte, Pflichten und Rechte, die dem Begriffe nach dem Staate zugehören und die zu Privateigentum und zu Privatverbindlichkeiten geworden waren, in Staatsbesitz. Die Rechte der Dynasten und Barone sind unterdrückt worden, indem sie sich mit Staatsämtern begnügen mußten. Diese Umwandlung der Rechte der Vasallen in Staatspflichten hat sich in den verschiedenen Reichen auf verschiedene Weise gemacht. In Frankreich z. B. wurden die großen Barone, welche Gouverneurs von Provinzen waren, die solche Stellen als Rechte beanspruchen konnten und gleichwie die türkischen Paschas aus den Mitteln derselben Truppen hielten, welche sie jeden Augenblick gegen den König auftreten lassen konnten, herabgesetzt zu Güterbesitzern, zu Hofadel, und jene Paschaschaften wurden zu Stellen, welche nun als Ämter erteilt wurden; oder der Adel wurde zu Offizieren, Generalen der Armee, und zwar der Armee des Staates verwendet. In dieser Beziehung ist das Aufkommen der stehenden Heere so wichtig, denn sie geben der Monarchie eine unabhängige Macht und sind ebenso nötig zur Befestigung des Mittelpunkts gegen die Aufstände der unterworfenen Individuen, als sie nach außenhin den Staat verteidigen. Die Abgaben hatten freilich noch keinen allgemeinen Charakter, sondern bestanden in einer unendlichen Menge von Gefällen, Zinsen und Zöllen, außerdem in Subsidien und Beiträgen der Stände, welchen dafür das Recht der Beschwerden, wie jetzt noch in Ungarn, zustand. - In Spanien hatte der Rittergeist eine höchst schöne und edle Gestalt gehabt. Dieser Rittergeist, diese Rittergröße, zu einer tatlosen Ehre herabgesunken, ist hinreichend unter dem Namen der spanischen Grandezza bekannt. Die Granden haben für sich keine eigenen Truppen mehr unterhalten dürfen und sind auch von dem Kommando der Armeen entfernt worden; ohne Macht haben sie sich als Privatpersonen mit einer leeren Ehre begnügt. Das Mittel aber, wodurch die königliche Macht in Spanien sich befestigte, war die Inquisition. Diese, dazu eingesetzt, heimliche Juden, Mauren und Ketzer zu verfolgen, nahm bald einen politischen Charakter an, indem sie gegen die Staatsfeinde sich richtete. Die Inquisition machte so die despotische Macht der Könige erstarken: sie stand selbst über Bischöfen und Erzbischöfen und durfte diese vor ihr Tribunal ziehen. Häufige Konfiskation der Güter, eine der dabei gewöhnlichsten Strafen, bereicherte bei dieser Gelegenheit den Staatsschatz. Die Inquisition war dazu noch ein Gericht des Verdachts, und indem sie somit eine furchtbare Gewalt gegen die Geistlichkeit ausübte, hatte sie in dem Nationalstolz ihre eigentliche Stütze. Jeder Spanier wollte nämlich von christlichem Blute sein, und dieser Stolz fiel mit den Absichten und der Richtung der Inquisition wohl zusammen. Einzelne Provinzen der spanischen Monarchie, wie z. B. Aragonien, hatten noch viele Einzelrechte und Privilegien, aber die spanischen Könige von Philipp II. abwärts unterdrückten dieselben ganz.
Es würde zu weit führen, den Gang der Depression der Aristokratie in den einzelnen Reichen näher zu verfolgen. Das Hauptinteresse war, wie schon gesagt, daß die Privatrechte der Dynasten geschmälert wurden und daß ihre Herrschaftsrechte in Pflichten gegen den Staat sich umsetzen mußten. Dieses Interesse war dem Könige und dem Volke gemeinschaftlich. Die mächtigen Barone schienen die Mitte zu sein, welche die Freiheit behauptete, aber es waren eigentlich nur ihre Privilegien gegen die königliche Macht und gegen die Bürger, welche sie verteidigten. Die Barone von England nötigten dem Könige die Magna Charta ab, aber die Bürger gewannen durch dieselbe nichts, vielmehr blieben sie in ihrem früheren Zustande. Die polnische Freiheit war ebenso nichts anderes als die Freiheit der Barone gegen den Monarchen, wobei die Nation zur absoluten Knechtschaft erniedrigt war. Man muß, wenn von Freiheit gesprochen wird, immer wohl achtgeben, ob es nicht eigentlich Privatinteressen sind, von denen gesprochen wird. Denn wenn auch dem Adel seine souveräne Macht genommen war, so blieb das Volk noch durch Hörigkeit, Leibeigenschaft und Gerichtsbarkeit von demselben unterdrückt und war teils des Eigentums gar nicht fähig, teils war es belastet mit Dienstbarkeit und durfte das Seinige nicht frei verkaufen. Das höchste Interesse der Befreiung daraus ging sowohl die Staatsmacht als die Untertanen selbst an, daß sie als Bürger nun auch wirklich freie Individuen seien und daß, was für das Allgemeine zu leisten, nach Gerechtigkeit, nicht nach Zufälligkeit gemessen sei. Die Aristokratie des Besitzes ist in diesem Besitz gegen beide, gegen die Staatsmacht und gegen die Individuen. Aber die Aristokratie soll ihre Stellung erfüllen, Stütze des Thrones zu sein, als für den Staat und das Allgemeine beschäftigt und sich betätigend und zugleich Stütze der Freiheit der Bürger. Das eben ist der Vorzug der verbindenden Mitte, daß sie das Wissen und das Betätigen des in sich Vernünftigen und Allgemeinen übernimmt; und dieses Wissen und dieses Geschäft des Allgemeinen hat an die Stelle des positiven persönlichen Rechts zu treten. Diese Unterwerfung der positiven Mitte unter das Staatsoberhaupt war nun geschehen, aber es war damit noch nicht die Befreiung der Hörigen vollbracht. Diese ist erst später geschehen, als der Gedanke von dem, was Recht an und für sich sei, auftrat. Die Könige haben dann, auf die Völker sich stützend, die Kaste der Ungerechtigkeit überwunden; wo sie aber auf die Barone sich stützten oder diese ihre Freiheiten die Könige behaupteten, da sind die positiven Rechte oder Unrechte geblieben.
Es tritt jetzt auch wesentlich ein Staatensystem und ein Verhältnis der Staaten gegeneinander auf. Sie verwickeln sich in mannigfaltige Kriege: die Könige, die ihre Staatsmacht vergrößert haben, wenden sich nun nach außen, Ansprüche aller Art geltend machend. Der Zweck und das eigentliche Interesse der Kriege ist jetzt immer Eroberung. Ein solcher Gegenstand der Eroberung war besonders Italien geworden, das den Franzosen, Spaniern und später auch den Österreichern zum Objekte der Beute dienen mußte. Die absolute Vereinzelung und Zersplitterung ist überhaupt immer der Grundcharakter der Bewohner Italiens gewesen, sowohl im Altertume als auch in der neueren Zeit. Die Starrheit der Individualität ist unter der Römerherrschaft gewaltsam verbunden gewesen; aber als dieses Band zerschnitten war, trat auch der ursprüngliche Charakter schroff heraus. Die Italiener sind späterhin, gleichsam darin eine Einheit findend, nachdem die ungeheuerste, zu allen Verbrechen ausgeartete Selbstsucht überwunden worden, zum Genusse der schönen Kunst gekommen: so ist die Bildung, die Milderung der Selbstsucht, nur zur Schönheit, nicht aber zur Vernünftigkeit, zur höheren Einheit des Gedankens gelangt. Deshalb ist selbst in Poesie und Gesang die italienische Natur anders als die unsrige. Die Italiener sind improvisierende Naturen, ganz in Kunst und in seligem Genuß ergossen. Bei solchem Kunstnaturell muß der Staat zufällig sein. - Aber auch die Kriege, die Deutschland führte, waren nicht besonders ehrenvoll für dasselbe: es ließ sich Burgund, Lothringen, Elsaß und anderes entreißen. Aus diesen Kriegen der Staatsmächte entstanden gemeinsame Interessen, und der Zweck des Gemeinsamen war, das Besondere festzuhalten, die besonderen Staaten in ihrer Selbständigkeit zu erhalten, oder das politische Gleichgewicht. Hierin lag ein sehr reeller Bestimmungsgrund, nämlich der, die besonderen Staaten vor der Eroberung zu schützen. Die Verbindung der Staaten als das Mittel, die einzelnen Staaten gegen die Gewalttätigkeit der Übermächtigen zu schützen, der Gleichgewichtszweck, war jetzt an die Stelle des früheren allgemeinen Zweckes, einer Christenheit, deren Mittelpunkt der Papst wäre, getreten. Zu diesem neuen Zwecke gesellte sich notwendig ein diplomatisches Verhältnis, worin die entferntesten Glieder des Staatensystems alles, was einer Macht geschah, mitfühlten. Die diplomatische Politik war in Italien zur höchsten Feinheit ausgebildet worden und von da auf Europa übertragen Es schienen mehrere Fürsten nacheinander das europäische Gleichgewicht schwankend zu machen. Gleich im Beginnen des Staatensystems strebte Karl V. nach einer Universalmonarchie; denn er war Deutscher Kaiser und König von Spanien zugleich, die Niederlande und Italien gehörten ihm, und der ganze Reichtum Amerikas floß ihm zu. Mit dieser ungeheuren Macht, welche, wie die Zufälligkeit eines Privatbesitzes, durch die glücklichsten Kombinationen der Klugheit, unter anderem durch Heiraten, zusammengebracht worden, aber des inneren wahrhaften Zusammenhanges entbehrte, vermochte er jedoch nichts gegen Frankreich, selbst nichts gegen die deutschen Fürsten und wurde vielmehr von Moritz von Sachsen zum Frieden gezwungen. Sein ganzes Leben brachte er damit zu, die ausgebrochenen Unruhen in allen Teilen seines Reiches zu dämpfen und die Kriege nach außen zu leiten. - Eine ähnliche Übermacht drohte Europa von Ludwig XIV. Durch die Depression der Großen seines Reiches, welche Richelieu und später Mazarin vollendet hatten, war er unumschränkter Herrscher geworden; außerdem hatte auch Frankreich das Bewußtsein seiner geistigen Überlegenheit durch seine dem übrigen Europa voranschreitende Bildung. Ludwigs Prätentionen gründeten sich weniger wie die Karls V. auf seine ausgedehnte Macht als auf die Bildung seines Volkes, welche damals mit der französischen Sprache allgemein aufgenommen und bewundert wurde: somit hatten sie allerdings eine höhere Berechtigung als die Karls V. Aber wie schon die großen Streitkräfte Philipps II. sich an dem Widerstand der Holländer gebrochen hatten, so scheiterten auch an demselben heldenmütigen Volke Ludwigs ehrgeizige Pläne. - Karl XII. war dann auch eine so außerordentliche, gefahrdrohende Figur; sein ganzer Ehrgeiz ist aber mehr abenteuerlicher Natur und weniger unterstützt durch innere Stärke gewesen. Durch alle diese Stürme hindurch haben die Nationen ihre Individualität und Selbständigkeit behauptet.
Ein gemeinsames Interesse der europäischen Staaten nach außen war das gegen die Türken, gegen diese furchtbare Macht, die von Osten her Europa zu überschwemmen drohte. Es war damals noch eine kerngesunde, kraftvolle Nation, deren Macht auf Eroberung gegründet war, die deshalb fortdauernd Krieg führte und nur Waffenstillstände einging. Die eroberten Länder wurden, wie bei den Franken, unter die Krieger verteilt zu persönlichem, nicht zu erblichem Besitz; als später die Erblichkeit eintrat, war die Macht der Nation gebrochen. Die Blüte der osmanischen Kraft, die Janitscharen, waren den Europäern ein Schrecken. Es wurden dazu schöne und kräftige Christenknaben, hauptsächlich durch jährliche Konskriptionen bei den griechischen Untertanen, zusammengebracht, im Islam streng erzogen und von Jugend auf in den Waffen geübt; ohne Eltern, ohne Geschwister, ohne Weiber waren sie wie die Mönche eine ganz unabhängige und furchtbare Schar. Die europäischen Mächte im Osten mußten sämtlich den Türken entgegentreten, Österreich, Ungarn, Venedig und Polen. Die Schlacht bei Lepanto rettete Italien, und vielleicht ganz Europa, vor der Überschwemmung der Barbaren.
Wichtig aber besonders infolge der Reformation ist der Kampf der protestantischen Kirche um eine politische Existenz. Die protestantische Kirche, auch wie sie unmittelbar aufgetreten, griff zu sehr in das Weltliche ein, als daß sie nicht weltliche Verwicklungen und politische Streitigkeiten über politischen Besitz hätte veranlassen sollen. Untertanen katholischer Fürsten werden protestantisch, haben und machen Ansprüche auf Kirchengüter, verändern die Natur des Besitzes und entziehen sich den Handlungen des Kultus, welche Emolumente abwerfen (iura stolae). Überdem ist die katholische Regierung verbunden, der Kirche das brachium seculare zu sein; die Inquisition z. B. hat nie einen Menschen hinrichten lassen, sondern nur zum Ketzer erklärt, gleichsam als Geschwornengericht, und nach den bürgerlichen Gesetzen ist er dann gestraft worden. Ferner wurden tausend Anstöße gegeben und Reibungen veranlaßt bei Prozessionen und Festen, beim Tragen der Monstranz über die Straße, durch das Austreten aus den Klöstern usf., oder gar wenn ein Erzbischof von Köln sein Erzbistum zu einem weltlichen Fürstentum für sich und seine Familie machen wollte. Den katholischen Fürsten wurde von den Beichtvätern zur Gewissenssache gemacht, die vormals geistlichen Güter aus den Händen der Ketzer zu reißen. Doch waren in Deutschland die Verhältnisse dem Protestantismus noch insofern vorteilhaft, als die besonderen ehemaligen Reichslehen zu Fürstentümern geworden waren. Aber in Ländern wie Österreich standen die Protestanten teils ohne die Fürsten, teils hatten sie dieselben gegen sich, und in Frankreich mußten sie sich Festungen einräumen lassen zur Sicherheit ihrer Religionsübung. - Ohne Kriege konnte die Existenz der Protestanten nicht gesichert werden, denn es handelte sich nicht um das Gewissen als solches, sondern um die politischen und Privatbesitztümer, die gegen die Rechte der Kirche in Beschlag genommen worden und von derselben reklamiert wurden. Es trat ein Verhältnis absoluten Mißtrauens ein, weil das Mißtrauen des religiösen Gewissens zugrunde lag. Die protestantischen Fürsten und Städte machten dann einen matten Bund und führten eine viel mattere Verteidigung. Nachdem sie unterlegen, erzwang Kurfürst Moritz von Sachsen durch einen ganz unerwarteten, abenteuerlichen Schlag den selbst zweideutigen Frieden, der die ganze Tiefe des Hasses bestehen ließ. Die Sache mußte von Grund aus durchgekämpft werden. Dies geschah im Dreißigjährigen Kriege, in welchem zuerst Dänemark und dann Schweden die Sache der Freiheit übernahm. Ersteres war bald genötigt, vom Kampfplatze zu weichen, spielte aber unter dem ruhmwürdigen Helden aus dem Norden, Gustav Adolf, eine um so glänzendere Rolle, als es selbst ohne die Hilfe der protestantischen Reichsstände Deutschlands den Krieg mit der ungeheuren Macht der Katholiken auszufechten begann. Alle Mächte Europas, mit wenigen Ausnahmen, stürzen sich nun auf Deutschland, wohin sie wie zur Quelle zurückströmen, von der sie ausgegangen waren, und wo jetzt das Recht der nunmehr religiösen Innigkeit und das Recht der innerlichen Getrenntheit ausgefochten werden soll. Der Kampf endigt ohne Idee, ohne einen Grundsatz als Gedanken gewonnen zu haben, mit der Ermüdung aller, der gänzlichen Verwüstung, an der sich alle Kräfte zerschlagen hatten, und dem bloßen Geschehenlassen und Bestehen der Parteien auf dem Grund der äußeren Macht. Der Ausgang ist nur politischer Natur.
Auch in England mußte sich die protestantische Kirche durch den Krieg festsetzen: der Kampf war gegen die Könige gerichtet, denn diese hingen insgeheim der katholischen Religion an, indem sie darin das Prinzip der absoluten Willkür bestätigt fanden. Gegen die Behauptung der absoluten Machtvollkommenheit, nach welcher die Könige nur Gott (d. h. dem Beichtvater) Rechenschaft zu geben schuldig seien, stand das fanatisierte Volk auf und erreichte dem äußerlichen Katholizismus gegenüber im Puritanismus die Spitze der Innerlichkeit, welche, in eine objektive Welt ausschlagend, teils fanatisch erhoben, teils lächerlich erscheint. Diese Fanatiker, wie auch die in Münster, wollten den Staat unmittelbar aus der Gottesfurcht regieren, wie ebenso fanatisiert die Soldaten ihre Sache im Felde betend ausfechten mußten. Aber ein militärischer Anführer hat nun die Gewalt und damit die Regierung in Händen; denn es muß regiert werden im Staate; und Cromwell wußte, was Regieren ist. Er hat sich also zum Herrscher gemacht und jenes betende Parlament auseinandergejagt. Mit seinem Tode jedoch schwand sein Recht, und die alte Dynastie bemächtigte sich wieder der Herrschaft. Es ist zu bemerken, daß für die Sicherheit der Regierung den Fürsten die katholische Religion angerühmt wird, - offenbar besonders, wenn die Inquisition mit der Regierung verbunden ist, denn diese wird durch jene gewaffnet. Diese Sicherheit aber liegt in dem knechtischen religiösen Gehorsam und ist nur vorhanden, wenn die Staatsverfassung und alles Staatsrecht noch auf dem positiven Besitze beruht; aber wenn die Verfassung und die Gesetze auf wahrhaft ewiges Recht gebaut werden sollen, dann ist Sicherheit allein in der protestantischen Religion, in deren Prinzip auch die subjektive Freiheit der Vernünftigkeit zur Ausbildung kommt. Das katholische Prinzip wurde noch besonders von den Holländern in der spanischen Herrschaft bekämpft. Belgien war der katholischen Religion noch zugetan und blieb unter spanischer Herrschaft; der nördliche Teil dagegen, Holland, hat sich heldenmütig gegen seine Unterdrücker behauptet. Die gewerbetreibende Klasse, die Gilden und Schützengesellschaften haben die Miliz gebildet und die damals berühmte spanische Infanterie durch Heldenmut überwunden. Wie die schweizerischen Bauern der Ritterschaft standgehalten haben, so hier die gewerbetreibenden Städte den disziplinierten Truppen. Währenddessen haben die holländischen Seestädte Flotten ausgerüstet und den Spaniern ihre Kolonien, woher ihnen aller Reichtum floß, zum Teil genommen. Wie Holland durch das protestantische Prinzip seine Selbständigkeit errang, so verlor sie Polen, als es dasselbe in den Dissidenten unterdrücken wollte.
Durch den Westfälischen Frieden war die protestantische Kirche als eine selbständige anerkannt worden, zur ungeheuren Schmach und Demütigung für die katholische. Dieser Friede hat häufig für das Palladium Deutschlands gegolten, weil er die politische Konstitution Deutschlands festgestellt hat. Aber diese Konstitution war in der Tat eine Festsetzung von den Privatrechten der Länder, in die es zerfallen war. Vom Zwecke eines Staates ist dabei kein Gedanke und keine Vorstellung. Man muß den Hippolytus a lapide lesen (ein Buch, das, vor dem Friedensschlusse geschrieben, großen Einfluß auf die Reichsverhältnisse gehabt hat), um die deutsche Freiheit, deren Vorstellung die Köpfe beherrscht, kennenzulernen. In diesem Frieden ist der Zweck der vollkommenen Partikularität und die privatrechtliche Bestimmung aller Verhältnisse ausgesprochen; er ist die konstituierte Anarchie, wie sie noch nie in der Welt gesehen worden, d. h. die Feststellung, daß ein Reich Eines, ein Ganzes sein soll, ein Staat, und daß dabei doch alle Verhältnisse so privatrechtlich bestimmt werden, daß das Interesse der Teile für sich, gegen das Interesse des Ganzen zu handeln oder das zu unterlassen, was dessen Interesse fordert und selbst gesetzlich bestimmt ist, aufs unverbrüchlichste verwahrt und gesichert ist. Es hat sich sogleich nach dieser Festsetzung gezeigt, was das Deutsche Reich als Staat gegen andere war: es hat schmähliche Kriege gegen die Türken geführt, von denen Wien durch die Polen befreit werden mußte. Noch schmählicher war sein Verhältnis zu Frankreich, welches freie Städte, Schutzmauern Deutschlands, und blühende Provinzen während des Friedens geradezu in Besitz genommen und ohne Mühe behalten hat.
Diese Konstitution, die das Ende von Deutschland als einem Reiche vollends bewirkt hat, ist vornehmlich das Werk Richelieus gewesen, durch dessen Hilfe, eines römischen Kardinals, die Religionsfreiheit in Deutschland gerettet worden ist. Richelieu hat zum Besten des Staates, dem er vorstand, das Gegenteil von dem getan, was er an dessen Feinden tat; denn diese löste er auf zur politischen Ohnmacht, indem er die politische Selbständigkeit der Teile begründete; in seinem Reiche aber unterdrückte er die Selbständigkeit der protestantischen Partei, und er hat darüber das Schicksal vieler großen Staatsmänner gehabt, daß er von seinen Mitbürgern verwünscht worden ist, während die Feinde das Werk, wodurch er sie ruiniert hat, für das heiligste Ziel ihrer Wünsche, ihres Rechts und ihrer Freiheit angesehen haben.
Das Resultat des Kampfes also war das durch Gewalt erzwungene und nun politisch begründete Bestehen der Religionsparteien nebeneinander als politischer Staaten und nach positiven staats- oder privatrechtlichen Verhältnissen.
Weiter aber und später hat die protestantische Kirche ihre politische Garantie darin vollendet, daß einer der ihr angehörigen Staaten sich zu einer selbständigen europäischen Macht erhoben. Diese Macht mußte mit dem Protestantismus neu entstehen: es ist Preußen, das, am Ende des siebzehnten Jahrhunderts auftretend, in Friedrich dem Großen sein, wenn nicht begründendes, doch fest- und sicherstellendes Individuum und im Siebenjährigen Kriege den Kampf dieser Fest- und Sicherstellung gefunden hat. Friedrich II. hat die Selbständigkeit seiner Macht dadurch erwiesen, daß er der Macht von fast ganz Europa, der Vereinigung der Hauptmächte desselben, widerstanden hat. Er trat als Held des Protestantismus auf, nicht nur persönlich wie Gustav Adolf, sondern als König einer Staatsmacht. Zwar war der Siebenjährige Krieg an sich kein Religionskrieg, aber er war es dennoch in seinem definitiven Ausgange, in der Gesinnung der Soldaten sowohl als der Mächte. Der Papst konsekrierte den Degen des Feldmarschalls Daun, und der Hauptgegenstand der koalitionierten Mächte war, den preußischen Staat als Schutz der protestantischen Kirche zu unterdrücken. Friedrich der Große hat aber nicht nur Preußen unter die großen Staatsmächte Europas als protestantische Macht eingeführt, sondern er ist auch ein philosophischer König gewesen, eine ganz eigentümliche und einzige Erscheinung in der neueren Zeit. Die englischen Könige waren spitzfindige Theologen gewesen, für das Prinzip des Absolutismus streitend; Friedrich dagegen faßte das protestantische Prinzip von der weltlichen Seite auf, und indem er den religiösen Streitigkeiten abhold war und sich für diese und jene Meinung derselben nicht entschied, hatte er das Bewußtsein von der Allgemeinheit, die die letzte Tiefe des Geistes und die ihrer selbst bewußte Kraft des Denkens ist.
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