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Geographische Grundlage der Weltgeschichte
Gegen die Allgemeinheit des sittlichen Ganzen und seine einzelne handelnde Individualität gehalten ist der Naturzusammenhang des Volksgeistes ein Äußerliches, aber insofern wir ihn als Boden, auf welchem sich der Geist bewegt, betrachten müssen, ist er wesentlich und notwendig eine Grundlage. Wir gingen von der Behauptung aus, daß in der Weltgeschichte die Idee des Geistes in der Wirklichkeit als eine Reihe äußerlicher Gestalten erscheint, deren jede sich als wirklich existierendes Volk kundgibt. Die Seite dieser Existenz fällt aber sowohl in die Zeit als in den Raum, in der Weise natürlichen Seins, und das besondere Prinzip, das jedes welthistorische Volk an sich trägt, hat es zugleich als Naturbestimmtheit in sich. Der Geist, der sich in diese Weise der Natürlichkeit kleidet, läßt seine besonderen Gestaltungen auseinanderfallen, denn das Auseinander ist die Form der Natürlichkeit. Diese Naturunterschiede müssen nun zuvörderst auch als besondere Möglichkeiten angesehen werden, aus welchen sich der Geist hervortreibt, und geben so die geographische Grundlage. Es ist uns nicht darum zu tun, den Boden als äußeres Lokal kennenzulernen, sondern den Naturtypus der Lokalität, welcher genau zusammenhängt mit dem Typus und Charakter des Volkes, das der Sohn solchen Bodens ist. Dieser Charakter ist eben die Art und Weise, wie die Völker in der Weltgeschichte auftreten und Stellung und Platz in derselben einnehmen. - Die Natur darf nicht zu hoch und nicht zu niedrig angeschlagen werden; der milde ionische Himmel hat sicherlich viel zur Anmut der Homerischen Gedichte beigetragen, doch kann er allein keine Homere erzeugen; auch erzeugt er sie nicht immer; unter türkischer Botmäßigkeit erhoben sich keine Sänger. - Zunächst ist hier nun auf die Natürlichkeiten Rücksicht zu nehmen, die ein für allemal von der weltgeschichtlichen Bewegung auszuschließen wären: in der kalten und in der heißen Zone kann der Boden weltgeschichtlicher Völker nicht sein. Denn das erwachende Bewußtsein ist anfänglich nur in der Natur, und jede Entwicklung desselben ist die Reflexion des Geistes in sich, gegen die natürliche Unmittelbarkeit. In diese Besonderung fällt nun das Moment der Natur mit hinein; sie ist der erste Standpunkt, aus dem der Mensch eine Freiheit in sich gewinnen kann, und diese Befreiung muß nicht durch die natürliche Macht erschwert werden. Die Natur ist gegen den Geist gehalten ein Quantitatives, dessen Gewalt nicht so groß sein muß, sich allein als allmächtig zu setzen. In den äußersten Zonen kann der Mensch zu keiner freien Bewegung kommen, Kälte und Hitze sind hier zu mächtige Gewalten, als daß sie dem Geist erlaubten, für sich eine Welt zu erbauen. Aristoteles sagt schon: "Wenn die Not des Bedürfnisses befriedigt ist, wendet sich der Mensch zum Allgemeinen und Höheren."6) Aber in jenem Extrem der Zonen kann die Not wohl nie aufhören und niemals abgewendet werden, der Mensch ist beständig darauf angewiesen, seine Aufmerksamkeit auf die Natur zu richten, auf die glühenden Strahlen der Sonne und den eisigen Frost. Der wahre Schauplatz für die Weltgeschichte ist daher die gemäßigte Zone, und zwar ist es der nördliche Teil derselben, weil die Erde sich hier kontinental verhält und eine breite Brust hat, wie die Griechen sagen. Im Süden dagegen verteilt sie sich und läuft in mannigfache Spitzen auseinander. Dasselbe Moment zeigt sich in den Naturprodukten. Der Norden hat sehr viele Gattungen von Tieren und Pflanzen gemeinschaftlich; im Süden, wo das Land sich in Spitzen teilt, da individualisieren sich auch die Naturgestalten gegeneinander.
Die Welt wird in die Alte und Neue geteilt, und zwar ist der Namen der neuen daher gekommen, weil Amerika und Australien uns erst spät bekannt geworden sind. Aber diese Weltteile sind nicht nur relativ neu, sondern überhaupt neu, in Ansehung ihrer ganzen physischen und geistigen Beschaffenheit. Ihr geologisches Altertum geht uns nichts an. Ich will ihr die Ehre nicht absprechen, daß sie nicht auch gleich bei Erschaffung der Welt dem Meere enthoben worden sei. Doch zeigt das Inselmeer zwischen Südamerika und Asien eine physische Unreife; der größte Teil der Inseln ist so beschaffen, daß sie gleichsam nur eine Erdbedeckung für Felsen sind, die aus der bodenlosen Tiefe heraustauchen und den Charakter eines spät Entstandenen tragen. Eine nicht mindere geographische Unreife zeigt Neuholland; denn wenn man hier von den Besitzungen der Engländer aus tiefer ins Land geht, so entdeckt man ungeheure Ströme, die noch nicht dazu gekommen sind, sich ein Bett zu graben, sondern in Schilfebenen ausgehen. Von Amerika und seiner Kultur, namentlich in Mexiko und Peru, haben wir zwar Nachrichten, aber bloß die, daß dieselbe eine ganz natürliche war, die untergehen mußte, sowie der Geist sich ihr näherte. Physisch und geistig ohnmächtig hat sich Amerika immer gezeigt und zeigt sich noch so. Denn die Eingeborenen sind, nachdem die Europäer in Amerika landeten, allmählich an dem Hauche der europäischen Tätigkeit untergegangen. In den nordamerikanischen Freistaaten sind alle Bürger europäische Abkömmlinge, mit denen sich die alten Einwohner nicht vermischen konnten, sondern zurückgedrängt wurden. Einige Künste haben die Eingeborenen allerdings von den Europäern angenommen, unter anderen die des Branntweintrinkens, die eine zerstörende Wirkung auf sie hervorbrachte. Im Süden wurden die Eingeborenen viel gewalttätiger behandelt und zu harten Diensten verwendet, denen ihre Kräfte wenig gewachsen waren. Sanftmut und Trieblosigkeit, Demut und kriechende Unterwürfigkeit gegen einen Kreolen und mehr noch gegen einen Europäer sind dort der Hauptcharakter der Amerikaner, und es wird noch lange dauern, bis die Europäer dahin kommen, einiges Selbstgefühl in sie zu bringen. Die Inferiorität dieser Individuen in jeder Rücksicht, selbst in Hinsicht der Größe, gibt sich in allem zu erkennen; nur die ganz südlichen Stämme in Patagonien sind kräftigere Naturen, aber noch ganz in dem natürlichen Zustande der Roheit und Wildheit. Als die Jesuiten und die katholische Geistlichkeit die Indianer an europäische Kultur und Sitten gewöhnen wollten (bekanntlich haben sie einen Staat in Paraguay, Klöster in Mexiko und Kalifornien gegründet), begaben sie sich unter sie und schrieben ihnen, wie Unmündigen, die Geschäfte des Tages vor, die sie sich auch, wie träge sie auch sonst waren, von der Autorität der Väter gefallen ließen. Diese Vorschriften (mitternachts mußte eine Glocke sie sogar an ihre ehelichen Pflichten erinnern) haben ganz richtig zunächst zur Erweckung von Bedürfnissen geführt, den Triebfedern der Tätigkeit des Menschen überhaupt. Die Schwäche des amerikanischen Naturells war ein Hauptgrund dazu, die Neger nach Amerika zu bringen, um durch deren Kräfte die Arbeiten verrichten zu lassen; denn die Neger sind weit empfänglicher für europäische Kultur als die Indianer, und ein englischer Reisender hat Beispiele angeführt, daß Neger geschickte Geistliche, Ärzte usw. geworden sind (ein Neger hat zuerst die Anwendung der Chinarinde gefunden), während ihm nur ein einziger Eingeborner bekannt ist, der es dahin brachte, zu studieren, aber bald am Übergenusse des Branntweins gestorben war. Zu der Schwäche der amerikanischen Menschenorganisation gesellt sich dann noch der Mangel der absoluten Organe, wodurch eine gegründete Macht herbeizuführen ist, der Mangel nämlich des Pferdes und des Eisens, Mittel, wodurch besonders die Amerikaner besiegt wurden.
Da nun die ursprüngliche Nation geschwunden oder so gut wie geschwunden ist, so kommt die wirksame Bevölkerung meist von Europa her, und was in Amerika geschieht, geht von Europa aus. Europa warf seinen Überfluß nach Amerika hinüber, ungefähr, wie aus den Reichsstädten, wo das Gewerbe vorherrschend war und sich versteinerte, viele in andere Städte entflohen, die einen solchen Zwang nicht hatten und wo die Last der Abgaben nicht so schwer war. So entstand neben Hamburg Altona, neben Frankfurt Offenbach, Fürth bei Nürnberg, Carouge neben Genf. In gleicher Weise verhält sich Nordamerika zu Europa. Viele Engländer haben sich daselbst festgesetzt, wo Lasten und Abgaben fortfallen und wo die Anhäufung europäischer Mittel und europäischer Geschicklichkeit fähig waren, dem großen noch brachliegenden Boden etwas abzugewinnen. In der Tat bietet diese Auswanderung viele Vorteile dar, denn die Auswandernden haben vieles abgestreift, was ihnen in der Heimat beengend sein konnte, und bringen den Schatz des europäischen Selbstgefühles und der Geschicklichkeiten mit; und für die, welche anstrengend arbeiten wollen und in Europa die Quellen dazu nicht fanden, ist in Amerika allerdings ein Schauplatz eröffnet.
Amerika ist bekanntlich in zwei Teile getrennt, die zwar durch eine Landenge zusammenhängen, doch ohne daß diese auch einen Zusammenhang des Verkehrs vermittelte. Beide Teile sind vielmehr aufs bestimmteste geschieden. - Nordamerika zeigt uns zuerst längs seiner östlichen Küste einen breiten Küstensaum, hinter dem ein Gebirgszug - die blauen Gebirge oder die Apalachen, nördlicher die Alleganen - sich erstreckt. Ströme, die von da ausgehen, bewässern die Küstenländer, welche von der vorteilhaftesten Beschaffenheit sind für die Nordamerikanischen Freistaaten, die sich hier ursprünglich gebildet haben. Hinter jenem Gebirgszug fließt im Zusammenhang mit ungeheuren Seen von Süden nach Norden der Lorenzstrom, an welchem die nördlichen Kolonien von Kanada liegen. Weiter westlich treffen wir auf das Bassin des ungeheuren Mississippi mit den Stromgebieten des Missouri und des Ohio, die er aufnimmt und sich dann in den Mexikanischen Meerbusen ergießt. Auf der westlichen Seite dieses Gebietes ist ebenso wieder ein langer Gebirgszug, der sich durch Mexiko und die Meerenge von Panama hindurchzieht und unter dem Namen der Anden oder Kordilleren die ganze Westseite von Südamerika abscheidet. Der dadurch gebildete Küstensaum ist schmaler und bietet weniger Vorteile dar als jener von Nordamerika. Es liegen da Peru und Chile. Auf der Ostseite fließen gen Osten die ungeheuren Ströme des Orinoko und des Amazonenstroms: sie bilden große Täler, die aber nicht zu Kulturländern geeignet sind, da sie vielmehr nur weite Steppen sind. Gegen Süden fließt der Rio de la Plata, dessen Zuflüsse ihren Ursprung zum Teil in den Kordilleren, zum Teil in dem nördlichen Gebirgsrücken haben, der das Gebiet des Amazonenstroms von dem seinigen scheidet. - Zum Gebiete des Rio de la Plata gehören Brasilien und die spanischen Republiken. Kolumbien ist das nördliche Küstenland von Südamerika, in dessen Westen längs der Anden der Magdalenenstrom sich in das Karibische Meer ergießt. -
Mit Ausnahme von Brasilien sind in Südamerika allgemein Republiken, wie in Nordamerika, entstanden. Vergleichen wir nun Südamerika, indem wir dazu auch Mexiko rechnen, mit Nordamerika, so werden wir einen erstaunlichen Kontrast wahrnehmen.
In Nordamerika sehen wir das Gedeihen, sowohl durch ein Zunehmen von Industrie und Bevölkerung, durch bürgerliche Ordnung und eine feste Freiheit; die ganze Föderation macht nur einen Staat aus und hat ihre politischen Mittelpunkte. Dagegen beruhen in Südamerika die Republiken nur auf militärischer Gewalt; die ganze Geschichte ist ein fortdauernder Umsturz: föderierte Staaten fallen auseinander, andere verbinden sich wieder, und alle diese Veränderungen werden durch militärische Revolutionen begründet. Die näheren Unterschiede beider Teile Amerikas zeigen uns zwei entgegengesetzte Richtungen: der eine Punkt ist der politische, der andere die Religion. Südamerika, wo die Spanier sich niederließen und die Oberherrschaft behaupteten, ist katholisch, Nordamerika, obgleich ein Land der Sekten überhaupt, doch den Grundzügen nach protestantisch. Eine weitere Abweichung ist die, daß Südamerika erobert, Nordamerika aber kolonisiert worden ist. Die Spanier bemächtigten sich Südamerikas, um zu herrschen und reich, sowohl durch politische Ämter als Erpressungen, zu werden. Von einem sehr entfernten Mutterlande abhängend, fand ihre Willkür einen größeren Spielraum, und durch Macht, Geschicklichkeit und Selbstgefühl gewannen sie ein großes Obergewicht über die Indianer. Die nordamerikanischen Freistaaten sind dagegen ganz von Europäern kolonisiert worden. Da in England Puritaner, Episkopalen und Katholiken in beständigem Widerstreit begriffen waren und bald die einen, bald die anderen die Oberhand hatten, wanderten viele aus, um in einem fremden Weltteile die Freiheit der Religion zu suchen. Es waren industriöse Europäer, die sich des Ackerbaues, des Tabak- und Baumwollanbaus usw. befleißigten. Bald trat eine allgemeine Richtung auf die Arbeit ein, und die Substanz des Ganzen waren die Bedürfnisse, die Ruhe, die bürgerliche Gerechtigkeit, Sicherheit, Freiheit und ein Gemeinwesen, das von den Atomen der Individuen ausging, so daß der Staat nur ein Äußerliches zum Schutze des Eigentums war. Von der protestantischen Religion ging das Zutrauen der Individuen gegeneinander aus, das Vertrauen auf ihre Gesinnung, denn in der protestantischen Kirche sind die religiösen Werke das ganze Leben, die Tätigkeit desselben überhaupt. Dagegen kann bei den Katholiken die Grundlage eines solchen Zutrauens nicht stattfinden, denn in weltlichen Angelegenheiten herrscht nur die Gewalt und freiwillige Unterworfenheit, und die Formen, die man hier Konstitutionen nennt, sind nur eine Nothilfe und schützen gegen Mißtrauen nicht.
Vergleichen wir Nordamerika noch mit Europa, so finden wir dort das perennierende Beispiel einer republikanischen Verfassung. Die subjektive Einheit ist vorhanden, denn es steht ein Präsident an der Spitze des Staates, der zur Sicherheit gegen etwaigen monarchischen Ehrgeiz nur auf vier Jahre gewählt wird. Allgemeiner Schutz des Eigentums und beinahe Abgabenlosigkeit sind Tatsachen, die beständig angepriesen werden. Damit ist zugleich der Grundcharakter angegeben, welcher in der Richtung des Privatmannes auf Erwerb und Gewinn besteht, in dem Überwiegen des partikulären Interesses, das sich dem Allgemeinen nur zum Behufe des eigenen Genusses zuwendet. Es finden allerdings rechtliche Zustände, ein formelles Rechtsgesetz statt, aber diese Rechtlichkeit ist ohne Rechtschaffenheit, und so stehen denn die amerikanischen Kaufleute in dem üblen Rufe, durch das Recht geschützt zu betrügen. Wenn einerseits die protestantische Kirche das Wesentliche des Zutrauens hervorruft, wie wir schon gesagt haben, so enthält sie andererseits eben dadurch das Gelten des Gefühlsmoments, das in das mannigfaltigste Belieben übergehen darf. Jeder, sagt man von diesem Standpunkte, könne eine eigene Weltanschauung, also auch eine eigene Religion haben. Daher das Zerfallen in so viele Sekten, die sich bis zum Extreme der Verrücktheit steigern und deren viele einen Gottesdienst haben, der sich in Verzückungen und mitunter in den sinnlichsten Ausgelassenheiten kundgibt. Dieses gänzliche Belieben ist so ausgebildet, daß die verschiedenen Gemeinden sich Geistliche annehmen und ebenso wieder fortschicken, wie es ihnen gefällt; denn die Kirche ist nicht ein an und für sich Bestehendes, die eine substantielle Geistigkeit und äußere Einrichtung hätte, sondern das Religiöse wird nach besonderem Gutdünken zurechtgemacht. In Nordamerika herrscht die ungebändigtste Wildheit aller Einbildungen, und es fehlt jene religiöse Einheit, die sich in den europäischen Staaten erhalten hat, wo die Abweichungen sich nur auf wenige Konfessionen beschränken. Was nun das Politische in Nordamerika betrifft, so ist der allgemeine Zweck noch nicht als etwas Festes für sich gesetzt, und das Bedürfnis eines festen Zusammenhaltens ist noch nicht vorhanden, denn ein wirklicher Staat und eine wirkliche Staatsregierung entstehen nur, wenn bereits ein Unterschied der Stände da ist, wenn Reichtum und Armut sehr groß werden und ein solches Verhältnis eintritt, daß eine große Menge ihre Bedürfnisse nicht mehr auf eine Weise, wie sie es gewohnt ist, befriedigen kann. Aber Amerika geht dieser Spannung noch nicht entgegen, denn es hat unaufhörlich den Ausweg der Kolonisation in hohem Grade offen, und es strömen beständig eine Menge Menschen in die Ebenen des Mississippi. Durch dieses Mittel ist die Hauptquelle der Unzufriedenheit geschwunden, und das Fortbestehen des jetzigen bürgerlichen Zustandes wird verbürgt. Eine Vergleichung der nordamerikanischen Freistaaten mit europäischen Ländern ist daher unmöglich, denn in Europa ist ein solcher natürlicher Abfluß der Bevölkerung, trotz aller Auswanderungen, nicht vorhanden: hätten die Wälder Germaniens noch existiert, so wäre freilich die Französische Revolution nicht ins Leben getreten. Mit Europa könnte Nordamerika erst verglichen werden, wenn der unermeßliche Raum, den dieser Staat darbietet, ausgefüllt und die bürgerliche Gesellschaft in sich zurückgedrängt wäre. Nordamerika ist noch auf dem Standpunkt, das Land anzubauen. Erst wenn wie in Europa die bloße Vermehrung der Ackerbauer gehemmt ist, werden sich die Bewohner, statt hinaus nach Äckern zu drängen, zu städtischen Gewerben und Verkehr in sich hineindrängen, ein kompaktes System bürgerlicher Gesellschaft bilden und zu dem Bedürfnis eines organischen Staates kommen. Die nordamerikanischen Freistaaten haben keinen Nachbarstaat, gegen den sie in einem Verhältnis wären, wie es die europäischen Staaten unter sich sind, den sie mit Mißtrauen zu beobachten und gegen welchen sie ein stehendes Heer zu halten hätten. Kanada und Mexiko sind für dasselbige nicht furchtbar, und England hat seit fünfzig Jahren in Erfahrung gebracht, daß das freie Amerika ihm nützlicher ist als das abhängige. Die Milizen des nordamerikanischen Freistaates haben sich allerdings im Befreiungskriege so tapfer erwiesen als die Holländer unter Philipp II., aber überall, wo nicht die zu erringende Selbständigkeit auf dem Spiele ist, zeigt sich weniger Kraft, und so haben im Jahre 1814 die Milizen schlecht gegen die Engländer bestanden.
Amerika ist somit das Land der Zukunft, in welchem sich in vor uns liegenden Zeiten, etwa im Streite von Nord- und Südamerika, die weltgeschichtliche Wichtigkeit offenbaren soll; es ist ein Land der Sehnsucht für alle die, welche die historische Rüstkammer des alten Europa langweilt. Napoleon soll gesagt haben: Cette vieille Europe m'ennuie. Amerika hat von dem Boden auszuscheiden, auf welchem sich bis heute die Weltgeschichte begab. Was bis jetzt sich hier ereignet, ist nur der Widerhall der Alten Welt und der Ausdruck fremder Lebendigkeit, und als ein Land der Zukunft geht es uns überhaupt hier nichts an; denn wir haben es nach der Seite der Geschichte mit dem zu tun, was gewesen ist, und mit dem, was ist, - in der Philosophie aber mit dem, was weder nur gewesen ist noch erst nur sein wird, sondern mit dem, was ist und ewig ist - mit der Vernunft, und damit haben wir zur Genüge zu tun.
Nachdem wir die Neue Welt und die Träume, die sich an sie knüpfen können, abgetan, gehen wir nun zur Alten Welt über, das heißt zum Schauplatze der Weltgeschichte, und haben zuvörderst auf die Naturmomente und die Naturbestimmungen aufmerksam zu machen. Amerika ist in zwei Teile geteilt, welche zwar durch eine Landenge zusammenhängen, die aber nur einen ganz äußerlichen Zusammenhang bildet. Die Alte Welt dagegen, welche Amerika gegenüberliegt und von demselben durch den Atlantischen Ozean getrennt ist, ist durch eine tiefe Bucht, das Mittelländische Meer, durchbrochen. Die drei Weltteile derselben haben ein wesentliches Verhältnis zueinander und machen eine Totalität aus. Ihr Ausgezeichnetes ist, daß sie um das Meer herumgelagert sind und darum ein leichtes Mittel der Kommunikation haben. Denn Ströme und Meere sind nicht als dirimierend zu betrachten, sondern als vereinend. England und die Bretagne, Norwegen und Dänemark, Schweden und Livland waren verbunden. Für die drei Weltteile ist also das Mittelmeer das Vereinigende und der Mittelpunkt der Weltgeschichte. Griechenland liegt hier, der Lichtpunkt in der Geschichte. Dann in Syrien ist Jerusalem der Mittelpunkt des Judentums und des Christentums, südöstlich davon liegt Mekka und Medina, der Ursitz des muselmännischen Glaubens; gegen Westen liegt Delphi, Athen, und westlicher noch Rom; dann liegen noch am Mittelländischen Meere Alexandria und Karthago. Das Mittelmeer ist so das Herz der Alten Welt, denn es ist das Bedingende und Belebende derselben. Ohne dasselbe ließe sich die Weltgeschichte nicht vorstellen, sie wäre wie das alte Rom oder Athen ohne das Forum, wo alles zusammenkam. - Das weite östliche Asien ist vom Prozesse der Weltgeschichte entfernt und greift nicht in dieselbige ein; ebenso das nördliche Europa, welches erst später in die Weltgeschichte eintrat und im Altertume keinen Anteil an derselben hatte; denn diese beschränkte sich durchaus auf die um das Mittelländische Meer herumliegenden Länder. Julius Cäsars Überschreiten der Alpen, die Eroberung Galliens und die Beziehung, in welche die Germanen dadurch mit dem Römischen Reiche kamen, macht daher Epoche in der Weltgeschichte, denn hiermit überschreitet dieselbe nunmehr auch die Alpen. Das östliche Asien und das jenseitige Alpenland sind die Extreme jener bewegten Mitte um das Mittelmeer - Anfang und Ende der Weltgeschichte, ihr Aufgang und Niedergang.
Die näheren geographischen Unterschiede sind nunmehr festzuhalten, und zwar als wesentliche des Gedankens gegen das vielfach Zufällige betrachtet. Dieser charakteristischen Unterschiede gibt es namentlich drei:
1. das wasserlose Hochland mit seinen großen Steppen und Ebenen,
2. die Talebenen (das Land des Überganges), welche von großen Strömen durchschnitten und bewässert werden,
3. das Uferland, das in unmittelbarem Verhältnisse mit dem Meere steht.
Diese drei Momente sind die wesentlichen, und nach ihnen werden wir jeden Weltteil sich in drei Teile teilen sehen. Das eine ist das gediegene, indifferente, metallische Hochland, unbildsam in sich abgeschlossen, aber wohl fähig, Impulse von sich auszuschicken. Das zweite bildet Mittelpunkte der Kultur, ist die noch unaufgeschlossene Selbständigkeit. Das dritte hat den Weltzusammenhang darzustellen und zu erhalten.
1. Das Hochland. Wir sehen solches Hochland in dem von den Mongolen (das Wort im allgemeinen Sinne genommen) bewohnten Mittelasien; vom Kaspischen Meere aus ziehen sich solche Steppen nördlich gegen das Schwarze Meer herüber; desgleichen sind hier anzuführen die Wüsten in Arabien, die Wüsten der Berberei in Afrika, in Südamerika um den Orinoko herum und in Paraguay. Das Eigentümliche der Bewohner solchen Hochlandes, das bisweilen nur durch Regen oder durch Austreten eines Flusses (wie die Ebenen des Orinoko) bewässert wird, ist das patriarchalische Leben, das Zerfallen in einzelne Familien. Der Boden, auf dem sie sich befinden, ist unfruchtbar oder nur momentan fruchtbar; die Bewohner haben ihr Vermögen nicht im Acker, aus dem sie nur einen geringen Ertrag ziehen, sondern in den Tieren, die mit ihnen wandern. Eine Zeitlang finden diese ihre Weide in den Ebenen, und wenn diese abgeweidet sind, zieht man in andere Gegenden. Man ist sorglos und sammelt nicht für den Winter, weswegen dann auch oft die Hälfte der Herde zugrunde geht. Unter diesen Bewohnern des Hochlandes gibt es kein Rechtsverhältnis, und es zeigen sich daher bei ihnen die Extreme von Gastfreundschaft und Räuberei, die letztere namentlich, wenn sie von Kulturländern umgeben sind, wie die Araber, die darin von ihren Pferden und Kamelen unterstützt werden. Die Mongolen nähren sich von Pferdemilch, und so ist ihnen das Pferd zugleich Nahrung und Waffe. Wenn dieses die Gestalt ihres patriarchalischen Lebens ist, so geschieht es doch aber oft, daß sie sich in großen Massen zusammenhalten und durch irgendeinen Impuls in eine äußere Bewegung geraten. Früher friedlich gestimmt, fallen sie alsdann wie ein verwüstender Strom über Kulturländer, und die Revolution, die jetzt hereinbricht, hat kein anderes Resultat als Zerstörung und Einöde. In solche Bewegung gerieten die Völker unter Dschingis-Khan und Tamerlan: sie zertraten alles, verschwanden dann wieder, wie ein verheerender Waldstrom abläuft, weil er kein eigentliches Prinzip der Lebendigkeit besitzt. Von den Hochländern herab geht es in die Engtäler: da wohnen ruhige Gebirgsvölker, Hirten, die auch nebenbei Ackerbau treiben wie die Schweizer, Asien hat deren auch, sie sind aber im ganzen unbedeutender.
2. Die Talebenen. Es sind dieses Ebenen, von Flüssen durchschnitten, die ihre ganze Fruchtbarkeit den Strömen, von denen sie gebildet sind, verdanken. Eine solche Talebene ist China, Indien, welches der Indus und Ganges durchschneidet, Babylonien, wo der Euphrat und Tigris fließt, Ägypten, das der Nil bewässert. In diesen Ländern entstehen große Reiche, und die Stiftung großer Staaten beginnt. Denn der Ackerbau, der hier als erstes Prinzip der Subsistenz der Individuen vorwaltet, ist an die Regelmäßigkeit der Jahreszeit, an die demgemäß geordneten Geschäfte gewiesen; es beginnt das Grundeigentum und die sich darauf beziehenden Rechtsverhältnisse, das heißt die Basen und Unterlagen des Staates, der erst in solchen Verhältnissen möglich wird.
3. Das Uferland. Der Fluß teilt Landstriche voneinander, noch mehr aber das Meer, und man ist gewohnt, das Wasser als das Trennende anzusehen; besonders hat man in den letzten Zeiten behaupten wollen, daß die Staaten notwendig durch Naturelemente getrennt sein müßten. Dagegen ist wesentlich zu sagen, daß nichts so sehr vereinigt als das Wasser, denn die Länder sind nichts als Gebiete von Strömen. So ist Schlesien das Odertal, Böhmen und Sachsen das Elbtal, Ägypten das Niltal. Mit dem Meere ist dies nicht minder der Fall, wie dies schon oben angedeutet wurde. Nur Gebirge trennen. So scheiden die Pyrenäen Spanien ganz bestimmt von Frankreich. Mit Amerika und Ostindien haben die Europäer seit deren Entdeckung in fortwährender Verbindung gestanden, aber ins Innere von Afrika und Asien sind sie kaum eingedrungen, weil das Zusammenkommen zu Land viel schwieriger ist als zu Wasser. Nur dadurch, daß es Meer ist, hat das Mittelländische Meer Mittelpunkt zu sein vermocht. Sehen wir jetzt auf den Charakter der Völker dieses dritten Moments.
Das Meer gibt uns die Vorstellung des Unbestimmten, Unbeschränkten und Unendlichen, und indem der Mensch sich in diesem Unendlichen fühlt, so ermutigt dies ihn zum Hinaus über das Beschränkte. Das Meer lädt den Menschen zur Eroberung, zum Raub, aber ebenso zum Gewinn und zum Erwerbe ein. Das Land, die Talebene fixiert den Menschen an den Boden, er kommt dadurch in eine unendliche Menge von Abhängigkeiten; aber das Meer führt ihn über diese beschränkten Kreise hinaus. Die das Meer befahren, wollen auch gewinnen, erwerben; aber ihr Mittel ist in der Weise verkehrt, daß sie ihr Eigentum und Leben selbst in Gefahr des Verlustes setzen. Das Mittel ist also das Gegenteil dessen, was sie bezwecken. Dies ist es eben, was den Erwerb und das Gewerbe über sich erhebt und ihn zu etwas Tapferem und Edlem macht. Mut muß nun innerhalb des Gewerbes eintreten, und Tapferkeit ist zugleich mit der Klugheit verbunden. Denn die Tapferkeit gegen das Meer muß zugleich List sein, da sie es mit dem Listigen, dem unsichersten und lügenhaftesten Element, zu tun hat. Diese unendliche Fläche ist absolut weich, denn sie widersteht keinem Drucke, selbst dem Hauche nicht; sie sieht unendlich unschuldig, nachgebend, freundlich und anschmiegend aus, und gerade diese Nachgiebigkeit ist es, die das Meer in das gefahrvollste und gewaltigste Element verkehrt. Solcher Täuschung und Gewalt setzt der Mensch lediglich ein einfaches Stück Holz entgegen, verläßt sich bloß auf seinen Mut und seine Geistesgegenwart und geht so vom Festen auf ein Haltungsloses über, seinen gemachten Boden selbst mit sich führend. Das Schiff, dieser Schwan der See, der in behenden und runden Bewegungen die Wellenebene durchschneidet oder Kreise in ihr zieht, ist ein Werkzeug, dessen Erfindung ebenso der Kühnheit des Menschen als seinem Verstande die größte Ehre macht. Dieses Hinaus des Meeres aus der Beschränktheit des Erdbodens fehlt den asiatischen Prachtgebäuden von Staaten, obgleich sie selbst an das Meer angrenzen, wie zum Beispiel China. Für sie ist das Meer nur das Aufhören des Landes, sie haben kein positives Verhältnis zu demselben. Die Tätigkeit, zu welcher das Meer einlädt, ist eine ganz eigentümliche; daher findet es sich dann, daß die Küstenländer meist immer von den Binnenländern sich absondern, wenn sie auch durch einen Strom mit diesen zusammenhängen. Holland hat sich so von Deutschland, Portugal von Spanien abgesondert.
Nach diesen Angaben sind nunmehr die drei Weltteile zu betrachten, und zwar kommen hier die drei Momente auf bedeutendere oder mindere Weise zum Vorschein: Afrika hat zum Hauptprinzip das Hochland, Asien den Gegensatz der Flußgebiete zum Hochland, Europa die Vermischung dieser Unterschiede.
Afrika ist in drei Teile zu unterscheiden: der eine ist der südlich von der Wüste Sahara gelegene, das eigentliche Afrika, das uns fast ganz unbekannte Hochland mit schmalen Küstenstrecken am Meere; der andere ist der nördliche von der Wüste, sozusagen das europäische Afrika, ein Küstenland; der dritte ist das Stromgebiet des Nil, das einzige Talland von Afrika, das sich an Asien anschließt.
Jenes eigentliche Afrika ist, soweit die Geschichte zurückgeht, für den Zusammenhang mit der übrigen Welt verschlossen geblieben; es ist das in sich gedrungene Goldland, das Kinderland, das jenseits des Tages der selbstbewußten Geschichte in die schwarze Farbe der Nacht gehüllt ist. Seine Verschlossenheit liegt nicht nur in seiner tropischen Natur, sondern wesentlich in seiner geographischen Beschaffenheit. Das Dreieck desselben (wenn wir die Westküste, die in dem Meerbusen von Guinea einen sehr stark einwärtsgehenden Winkel macht, für eine Seite nehmen wollen und ebenso die Ostküste bis zum Kap Gardafui für eine andre) ist von zwei Seiten überall so beschaffen, daß es einen sehr schmalen, an wenigen einzelnen Stellen bewohnbaren Küstenstrich hat. Hierauf folgt nach innen fast ebenso allgemein ein sumpfiger Gürtel von der allerüppigsten Vegetation, die vorzügliche Heimat von reißenden Tieren, Schlangen aller Art - ein Saum, dessen Atmosphäre für die Europäer giftig ist. Dieser Saum macht den Fuß eines Gürtels von hohen Gebirgen aus, die nur selten von Strömen durchschnitten werden und so, daß auch durch sie kein Zusammenhang mit dem Innern gebildet wird; denn der Durchbruch geschieht nur wenig unter der Oberfläche der Gebirge und nur an einzelnen schmalen Stellen, wo sich häufig unbefahrbare Wasserfälle und wild sich durchkreuzende Strömungen formieren. Über diese Gebirge sind die Europäer seit den drei bis dreieinhalb Jahrhunderten, daß sie diesen Saum kennen und Stellen desselben in Besitz genommen haben, kaum hier und da und nur auf kurze Zeit gestiegen und haben sich dort nirgends festgesetzt. Das von diesen Gebirgen umschlossene Land ist ein unbekanntes Hochland, von dem ebenso die Neger selten herabgedrungen sind. Im sechzehnten Jahrhundert sind aus dem Innern an mehreren, sehr entfernten Stellen Ausbrüche von greulichen Scharen erfolgt, die sich auf die ruhigeren Bewohner der Abhänge gestürzt haben. Ob eine und welche innere Bewegung vorgefallen, welche diesen Sturm veranlaßt, ist unbekannt. Was von diesen Scharen bekannt geworden, ist der Kontrast, daß ihr Benehmen, in diesen Kriegen und Zügen selbst, die gedankenloseste Unmenschlichkeit und ekelhafteste Roheit bewies und daß sie nachher, als sie sich ausgetobt hatten, in ruhiger Friedenszeit sich sanftmütig, gutmütig gegen die Europäer, da sie mit ihnen bekannt wurden, zeigten. Das gilt von den Fullahs, von den Mandingos, die in den Gebirgsterrassen des Senegal und Gambia wohnen. - Der zweite Teil von Afrika ist das Stromgebiet des Nils, Ägypten, welches dazu bestimmt war, ein großer Mittelpunkt selbständiger Kultur zu werden, und daher ebenso isoliert und vereinzelt in Afrika dasteht, als Afrika selbst im Verhältnis zu den anderen Weltteilen erscheint. - Der nördliche Teil von Afrika, der vorzugsweise der des Ufergebietes genannt werden kann - denn Ägypten ist häufig vom Mittelmeer in sich zurückgedrängt worden - liegt am Mittel- und Atlantischen Meer, ein herrlicher Erdstrich, auf dem einst Karthago lag, wo jetzt Marokko, Algier, Tunis und Tripolis sind. Diesen Teil sollte und mußte man zu Europa herüberziehen, wie dies die Franzosen jetzt eben glücklich versucht haben: er ist wie Vorderasien zu Europa hingewendet: hier haben wechselweise Karthager, Römer und Byzantiner, Muselmänner, Araber gehaust, und die Interessen Europas haben immer hinüberzugreifen gestrebt.
Der eigentümlich afrikanische Charakter ist darum schwer zu fassen, weil wir dabei ganz auf das Verzicht leisten müssen, was bei uns in jeder Vorstellung mit unterläuft, die Kategorie der Allgemeinheit. Bei den Negern ist nämlich das Charakteristische gerade, daß ihr Bewußtsein noch nicht zur Anschauung irgendeiner festen Objektivität gekommen ist, wie zum Beispiel Gott, Gesetz, bei welcher der Mensch mit seinem Willen wäre und darin die Anschauung seines Wesens hätte. Zu dieser Unterscheidung seiner als des Einzelnen und seiner wesentlichen Allgemeinheit ist der Afrikaner in seiner unterschiedslosen, gedrungenen Einheit noch nicht gekommen, wodurch das Wissen von einem absoluten Wesen, das ein anderes, höheres gegen das Selbst wäre, ganz fehlt. Der Neger stellt, wie schon gesagt worden ist, den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar; von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem, was Gefühl heißt, muß man abstrahieren, wenn man ihn richtig auffassen will: es ist nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden. Die weitläufigen Berichte der Missionare bestätigen dieses vollkommen, und nur der Mohammedanismus scheint das einzige zu sein, was die Neger noch einigermaßen der Bildung annähert. Die Mohammedaner verstehen es auch besser als die Europäer, ins Innere des Landes einzudringen. Diese Stufe der Kultur läßt sich dann auch näher in der Religion erkennen. Das erste, was wir uns bei dieser vorstellen, ist das Bewußtsein des Menschen von einer höheren Macht (wenn diese auch nur als Naturmacht gefaßt wird), gegen die der Mensch sich als ein Schwächeres, Niedrigeres stellt. Die Religion beginnt mit dem Bewußtsein, daß es etwas Höheres gebe als der Mensch. Die Neger aber hat schon Herodot [II, 33] Zauberer genannt; in der Zauberei liegt nun nicht die Vorstellung von einem Gott, von einem sittlichen Glauben, sondern sie stellt dar, daß der Mensch die höchste Macht ist, daß er sich allein befehlend gegen die Naturmacht verhält. Es ist also nicht von einer geistigen Verehrung Gottes noch von einem Reiche des Rechts die Rede. Gott donnert und wird nicht erkannt; für den Geist des Menschen muß Gott mehr als ein Donnerer sein, bei den Negern aber ist dies nicht der Fall. Obgleich sie sich der Abhängigkeit vom Natürlichen bewußt sein müssen, denn sie bedürfen des Gewitters, des Regens, des Aufhörens der Regenzeit, so führt sie dieses doch nicht zum Bewußtsein eines Höheren; sie sind es, die den Elementen Befehle erteilen, und dies eben nennt man Zauberei. Die Könige haben eine Klasse von Ministern, durch welche sie die Naturveränderungen anbefohlen lassen, und jeder Ort besitzt auf eben diese Weise seine Zauberer, die besondere Zeremonien mit allerhand Bewegungen, Tänzen, Lärm und Geschrei ausführen und inmitten dieser Betäubung ihre Anordnungen treffen. Das zweite Moment ihrer Religion ist alsdann, daß sie sich diese ihre Macht zur Anschauung bringen, sich äußerlich setzen und sich Bilder davon machen. Das, was sie sich als ihre Macht vorstellen, ist somit nichts Objektives, in sich Festes und von ihnen Verschiedenes, sondern ganz gleichgültig der erste beste Gegenstand, den sie zum Genius erheben, sei es ein Tier, ein Baum, ein Stein, ein Bild von Holz. Dies ist der Fetisch, ein Wort, welches die Portugiesen zuerst in Umlauf gebracht und welches von feitiço, Zauberei, abstammt. Hier im Fetische scheint nun zwar die Selbständigkeit gegen die Willkür des Individuums aufzutreten, aber da eben diese Gegenständlichkeit nichts anderes ist als die zur Selbstanschauung sich bringende individuelle Willkür, so bleibt diese auch Meister ihres Bildes. Begegnet nämlich etwas Unangenehmes, was der Fetisch nicht abgewendet hat, bleibt der Regen aus, entsteht Mißwachs, so binden und prügeln sie ihn oder zerstören ihn und schaffen ihn ab, indem sie sich zugleich einen anderen kreieren; sie haben ihn also in ihrer Gewalt. Es hat ein solcher Fetisch weder die religiöse Selbständigkeit, noch weniger die künstlerische; er bleibt lediglich ein Geschöpf, das die Willkür des Schaffenden ausdrückt und das immer in seinen Händen verharrt. Kurz, es ist kein Verhältnis der Abhängigkeit in dieser Religion. Was aber auf etwas Höheres bei den Negern hinweist, ist der Totendienst, in welchem ihre verstorbenen Voreltern und ihre Vorfahren ihnen als eine Macht gegen die Lebendigen gelten. Sie haben dabei die Vorstellung, daß diese sich rächen und dem Menschen dieses oder jenes Unheil zufügen könnten, in eben dem Sinne, wie dies im Mittelalter von den Hexen geglaubt wurde; doch ist die Macht der Toten nicht über die der Lebendigen geachtet, denn die Neger befehlen ihren Toten und bezaubern sie. Auf diese Weise bleibt das Substantielle immer in der Gewalt des Subjekts. Der Tod selbst ist den Negern kein allgemeines Naturgesetz; auch dieser, meinen sie, komme von übelgestimmten Zauberern her. Es liegt allerdings darin die Hoheit des Menschen über die Natur; ebenso, daß der zufällige Wille des Menschen höher steht als das Natürliche, daß er dieses als das Mittel ansieht, dem er nicht die Ehre antut, es nach seiner Weise zu behandeln, sondern dem er befiehlt.7)
Daraus aber, daß der Mensch als das Höchste gesetzt ist, folgt, daß er keine Achtung vor sich selber hat, denn erst mit dem Bewußtsein eines höheren Wesens erlangt der Mensch einen Standpunkt, der ihm eine wahre Achtung gewährt. Denn wenn die Willkür das Absolute ist, die einzige feste Objektivität, die zur Anschauung kommt, so kann der Geist auf dieser Stufe von keiner Allgemeinheit wissen. Die Neger besitzen daher diese vollkommene Verachtung der Menschen, welche eigentlich nach der Seite des Rechts und der Sittlichkeit hin die Grundbestimmung bildet. Es ist auch kein Wissen von Unsterblichkeit der Seele vorhanden, obwohl Totengespenster vorkommen. Die Wertlosigkeit der Menschen geht ins Unglaubliche; die Tyrannei gilt für kein Unrecht, und es ist als etwas ganz Verbreitetes und Erlaubtes betrachtet, Menschenfleisch zu essen. Bei uns hält der Instinkt davon ab, wenn man überhaupt beim Menschen vom Instinkte sprechen kann. Aber bei dem Neger ist dies nicht der Fall, und den Menschen zu verzehren hängt mit dem afrikanischen Prinzip überhaupt zusammen; für den sinnlichen Neger ist das Menschenfleisch nur Sinnliches, Fleisch überhaupt. Bei dem Tode eines Königs werden wohl Hunderte geschlachtet und verzehrt; Gefangene werden gemordet und ihr Fleisch auf den Märkten verkauft; der Sieger frißt in der Regel das Herz des getöteten Feindes. Bei den Zaubereien geschieht es gar häufig, daß der Zauberer den ersten besten ermordet und ihn zum Fraße an die Menge verteilt. Etwas anderes Charakteristisches in der Betrachtung der Neger ist die Sklaverei. Die Neger werden von den Europäern in die Sklaverei geführt und nach Amerika hin verkauft. Trotzdem ist ihr Los im eigenen Lande fast noch schlimmer, wo ebenso absolute Sklaverei vorhanden ist; denn es ist die Grundlage der Sklaverei überhaupt, daß der Mensch das Bewußtsein seiner Freiheit noch nicht hat und somit zu einer Sache, zu einem Wertlosen herabsinkt. Bei den Negern sind aber die sittlichen Empfindungen vollkommen schwach oder, besser gesagt, gar nicht vorhanden. Die Eltern verkaufen ihre Kinder und umgekehrt ebenso diese jene, je nachdem man einander habhaft werden kann. Durch das Durchgreifende der Sklaverei sind alle Bande sittlicher Achtung, die wir voreinander haben, geschwunden, und es fällt den Negern nicht ein, sich zuzumuten, was wir voneinander fordern dürfen. Die Polygamie der Neger hat häufig den Zweck, viele Kinder zu erzielen, die samt und sonders zu Sklaven verkauft werden könnten, und sehr oft hört man naive Klagen, wie z. B. die eines Negers in London, der darüber wehklagte, daß er nun ein ganz armer Mensch sei, weil er alle seine Verwandten bereits verkauft habe. In der Menschenverachtung der Neger ist es nicht sowohl die Verachtung des Todes als die Nichtachtung des Lebens, die das Charakteristische ausmacht. Dieser Nichtachtung des Lebens ist auch die große, von ungeheurer Körperstärke unterstützte Tapferkeit der Neger zuzuschreiben, die sich zu Tausenden niederschießen lassen im Kriege gegen die Europäer. Das Leben hat nämlich nur da einen Wert, wo es ein Würdiges zu seinem Zwecke hat.
Gehen wir nun zu den Grundzügen der Verfassung über, so geht eigentlich aus der Natur des Ganzen hervor, daß es keine solche geben kann. Der Standpunkt dieser Stufe ist sinnliche Willkür mit Energie des Willens; denn die allgemeinen Bestimmungen des Geistes, z. B. Familiensittlichkeit, können hier noch keine Geltung gewinnen, da alle Allgemeinheit hier nur als Innerlichkeit der Willkür ist. Der politische Zusammenhalt kann daher auch nicht den Charakter haben, daß freie Gesetze den Staat zusammenfassen. Es gibt überhaupt kein Band, keine Fessel für diese Willkür. Was den Staat einen Augenblick bestehen lassen kann, ist daher lediglich die äußere Gewalt. Es steht ein Herr an der Spitze, denn sinnliche Roheit kann nur durch despotische Gewalt gebändigt werden. Weil nun aber die Untergebenen Menschen von ebenso wildem Sinne sind, so halten sie den Herrn wiederum in Schranken. Unter dem Häuptling stehen viele andere Häuptlinge, mit denen sich der erste, den wir König nennen wollen, berät, und er muß, will er einen Krieg unternehmen oder einen Tribut auferlegen, ihre Einwilligung zu gewinnen suchen. Dabei kann er mehr oder weniger Autorität entwickeln und diesen oder jenen Häuptling bei Gelegenheit mit List oder Gewalt aus dem Wege schaffen. Außerdem besitzen die Könige noch gewisse Vorrechte. Bei den Aschanti erbt der König alles hinterlassene Gut seiner Untertanen, in anderen Orten gehören alle Mädchen dem Könige, und wer eine Frau haben will, muß sie demselben abkaufen. Sind die Neger mit ihrem König unzufrieden, so setzen sie ihn ab und bringen ihn um. In Dahomey ist die Sitte, daß die Neger, wenn sie nicht mehr zufrieden sind, ihrem Könige Papageieneier zuschicken, was ein Zeichen ihres Überdrusses an seiner Regierung ist. Bisweilen wird ihm auch eine Deputation zugefertigt, welche ihm sagt: die Last der Regierung müsse ihn sehr beschwert haben, er möge ein wenig ausruhen. Der König dankt dann den Untertanen, geht in seine Gemächer und läßt sich von den Weibern erdrosseln. In früherer Zeit hat sich ein Weiberstaat besonders durch seine Eroberungen berühmt gemacht: es war ein Staat, an dessen Spitze eine Frau stand. Sie hat ihren eigenen Sohn in einem Mörser zerstoßen, sich mit dem Blute bestrichen und veranstaltet, daß das Blut zerstampfter Kinder stets vorrätig sei. Die Männer hat sie verjagt oder umgebracht und befohlen, alle männlichen Kinder zu töten Diese Furien zerstörten alles in der Nachbarschaft und waren, weil sie das Land nicht bauten, zu steten Plünderungen getrieben. Die Kriegsgefangenen wurden als Männer gebraucht, die schwangeren Frauen mußten sich außerhalb des Lagers begeben und, hatten sie einen Sohn geboren, diesen entfernen. Dieser berüchtigte Staat hat sich späterhin verloren. Neben dem Könige befindet sich in den Negerstaaten beständig der Scharfrichter, dessen Amt für höchst wichtig gehalten wird und durch welchen der König ebensosehr die Verdächtigen aus dem Wege räumen läßt, als er selbst wiederum von ihm umgebracht werden kann, wenn die Großen es verlangen.
Der Fanatismus, der überhaupt unter den Negern, trotz ihrer sonstigen Sanftmütigkeit, rege gemacht werden kann, übersteigt allen Glauben. Ein englischer Reisender erzählt: wenn in Aschanti ein Krieg beschlossen ist, so werden erst feierliche Zeremonien vorausgeschickt; zu diesen gehört, daß die Gebeine der Mutter des Königs mit Menschenblut abgewaschen werden. Als Vorspiel des Krieges beschließt der König einen Ausfall auf seine eigene Hauptstadt, um sich gleichsam in Wut zu setzen. Der König ließ dem Engländer Hutchinson sagen: "Christ, hab acht und wache über deine Familie. Der Bote des Todes hat sein Schwert gezogen und wird den Nacken vieler Aschanti treffen; wenn die Trommel gerührt wird, so ist es das Todessignal für viele. Komm zum Könige, wenn du kannst, und fürchte nichts für dich". Die Trommel ward geschlagen, und ein furchtbares Blutbad begann: alles, was den durch die Straßen wütenden Negern aufstieß, wurde durchbohrt. Bei solchen Gelegenheiten läßt nun der König alles ermorden, was ihm verdächtig ist, und diese Tat nimmt alsdann noch den Charakter einer heiligen Handlung an. Jede Vorstellung, die in die Neger geworfen wird, wird mit der ganzen Energie des Willens ergriffen und verwirklicht, alles aber zugleich in dieser Verwirklichung zertrümmert. Diese Völker sind lange Zeit ruhig, aber plötzlich gären sie auf, und dann sind sie ganz außer sich gesetzt. Die Zertrümmerung, welche eine Folge ihres Aufbrausens ist, hat darin ihren Grund, daß es kein Inhalt und kein Gedanke ist, der diese Bewegungen hervorruft, sondern mehr ein physischer als ein geistiger Fanatismus.
Wenn der König stirbt in Dahomey, so sind gleich die Bande der Gesellschaft zerrissen; in seinem Palaste fängt die allgemeine Zerstörung und Auflösung an: sämtliche Weiber des Königs (in Dahomey ist ihre bestimmte Zahl 3333) werden ermordet, und in der ganzen Stadt beginnt nun eine allgemeine Plünderung und ein durchgängiges Gemetzel. Die Weiber des Königs sehen in diesem ihrem Tode eine Notwendigkeit, denn sie gehen geschmückt zu demselben. Die hohen Beamten müssen sich aufs höchste beeilen, den neuen Regenten auszurufen, damit nur den Metzeleien ein Ende gemacht werde.
Aus allen diesen verschiedentlich angeführten Zügen geht hervor, daß es die Unbändigkeit ist, welche den Charakter der Neger bezeichnet. Dieser Zustand ist keiner Entwicklung und Bildung fähig, und wie wir sie heute sehen, so sind sie immer gewesen. Der einzige wesentliche Zusammenhang, den die Neger mit den Europäern gehabt haben und noch haben, ist der der Sklaverei. In dieser sehen die Neger nichts ihnen Unangemessenes, und gerade die Engländer, welche das meiste zur Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei getan haben, werden von ihnen selbst als Feinde behandelt. Denn es ist ein Hauptmoment für die Könige, ihre gefangenen Feinde oder auch ihre eigenen Untertanen zu verkaufen, und die Sklaverei hat insofern mehr Menschliches unter den Negern geweckt. Die Lehre, die wir aus diesem Zustand der Sklaverei bei den Negern ziehen und welche die allein für uns interessante Seite ausmacht, ist die, welche wir aus der Idee kennen, daß der Naturzustand selbst der Zustand absoluten und durchgängigen Unrechts ist. Jede Zwischenstufe zwischen ihm und der Wirklichkeit des vernünftigen Staates hat ebenso noch Momente und Seiten der Ungerechtigkeit; daher finden wir Sklaverei selbst im griechischen und römischen Staate, wie Leibeigenschaft bis auf die neuesten Zeiten hinein. So aber als im Staate vorhanden, ist sie selbst ein Moment des Fortschreitens von der bloß vereinzelten, sinnlichen Existenz, ein Moment der Erziehung, eine Weise des Teilhaftigwerdens höherer Sittlichkeit und mit ihr zusammenhängender Bildung. Die Sklaverei ist an und für sich Unrecht, denn das Wesen des Menschen ist die Freiheit, doch zu dieser muß er erst reif werden. Es ist also die allmähliche Abschaffung der Sklaverei etwas Angemesseneres und Richtigeres als ihre plötzliche Aufhebung.
Wir verlassen hiermit Afrika, um späterhin seiner keine Erwähnung mehr zu tun. Denn es ist kein geschichtlicher Weltteil, er hat keine Bewegung und Entwicklung aufzuweisen, und was etwa in ihm, das heißt in seinem Norden geschehen ist, gehört der asiatischen und europäischen Welt zu. Karthago war dort ein wichtiges und vorübergehendes Moment, aber als phönizische Kolonie fällt es Asien zu. Ägypten wird im Übergange des Menschengeistes von Osten nach Westen betrachtet werden, aber es ist nicht dem afrikanischen Geiste zugehörig. Was wir eigentlich unter Afrika verstehen, das ist das Geschichtslose und Unaufgeschlossene, das noch ganz im natürlichen Geiste befangen ist und das hier bloß an der Schwelle der Weltgeschichte vorgeführt werden mußte.
Wir befinden uns jetzt erst, nachdem wir dieses von uns geschoben haben, auf dem wirklichen Theater der Weltgeschichte. Es bleibt uns nur noch übrig, die geographische Grundlage Asiens und Europas vorläufig anzugeben. Asien ist der Weltteil des Aufgangs überhaupt. Es ist zwar ein Westen für Amerika; aber wie Europa überhaupt das Zentrum und das Ende der Alten Welt ist und absolut der Westen ist, so Asien absolut der Osten. In Asien ist das Licht des Geistes und damit die Weltgeschichte aufgegangen.
Es sind nun die verschiedenen Lokalitäten von Asien zu betrachten. Die physische Beschaffenheit desselben stellt schlechthin Gegensätze auf und die wesentliche Beziehung dieser Gegensätze. Die verschiedenen geographischen Prinzipien sind in sich entwickelte und ausgebildete Gestaltungen.
Zuerst ist die nördliche Abdachung, Sibirien, wegzuschneiden. Diese Abdachung vom Altaischen Gebirgszuge aus mit ihren schönen Strömen, die sich in den nördlichen Ozean ergießen, geht uns hier überhaupt nichts an, weil die nördliche Zone, wie schon gesagt, außerhalb der Geschichte liegt. - Aber das übrige schließt drei schlechthin interessante Lokalitäten in sich. Die erste ist, wie in Afrika, gediegenes Hochland, mit einem Gebirgsgurt, der die höchsten Gebirge in der Welt enthält. Begrenzt ist dieses Hochland im Süden und Südosten durch den Mustag oder Imaus, mit dem dann weiter südlich das Himalajagebirge parallel läuft. Gegen Osten scheidet eine von Süden nach Norden gehende Gebirgskette das Bassin des Amur ab. Im Norden liegt das Altaische und Songarische Gebirge; im Zusammenhang mit dem letzteren im Nordwesten der Mussart und im Westen der Belurtag, welcher durch das Hindukuschgebirge wieder mit dem Mustag verbunden ist.
Dieser hohe Gebirgsgurt ist durchbrochen durch Ströme, welche eingedämmt sind und große Talebenen bilden. Diese, mehr oder weniger überschwemmt, geben Mittelpunkte ungeheurer Üppigkeit und Fruchtbarkeit ab und unterscheiden sich von den europäischen Stromgebieten auf die Weise, daß sie nicht wie diese eigentliche Täler mit Verzweigungen von Tälern formieren, sondern Stromebenen. Dergleichen sind nun: die chinesische Talebene, gebildet durch den Hoangho und Jangtsekiang, den gelben und blauen Strom; dann die von Indien durch den Ganges; weniger bedeutend ist der Indus, der im Norden das Land des Pandschab bestimmt und im Süden durch Sandebenen fließt; ferner die Länder des Tigris und Euphrat, die aus Armenien herkommen und längs der persischen Gebirge strömen. Das Kaspische Meer hat im Osten und Westen dergleichen Flußtäler, im Osten durch den Oxus und Jaxartes (Gihon und Sihon), die sich in den Aralsee ergießen, im Westen durch den Cyrus und Araxes (Kur und Aras). - Das Hochland und die Ebenen sind voneinander zu unterscheiden; das dritte ist ihre Vermischung, welche in Vorderasien auftritt. Dazu gehört Arabien, das Land der Wüste, das Hochland der Fläche, das Reich des Fanatismus; dazu gehört Syrien und Kleinasien, das mit dem Meere in Verbindung ist und in immerwährendem Zusammenhang mit Europa sich befindet.
Für Asien gilt nun hauptsächlich, was oben im allgemeinen von den geographischen Unterschieden bemerkt worden ist daß nämlich die Viehzucht die Beschäftigung des Hochlandes, der Ackerbau und die Bildung zum Gewerbe die Arbeit der Talebenen ist, der Handel aber endlich und die Schiffahrt das dritte Prinzip ausmacht. Patriarchalische Selbständigkeit ist mit dem ersten Prinzip, Eigentum und Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft mit dem zweiten und bürgerliche Freiheit mit dem dritten Prinzip eng verbunden. Im Hochland ist neben der Viehzucht, der Zucht der Pferde, Kamele und Schafe (weniger des Rindviehs), wiederum das ruhige Nomadenleben sowohl als auch das Schweifende und Unstete ihrer Eroberungen zu unterscheiden. Diese Völker, ohne sich selbst zur Geschichte zu entwickeln, besitzen doch schon einen mächtigen Impuls zur Veränderung ihrer Gestalt, und wenn sie auch noch nicht einen historischen Inhalt haben, so ist doch der Anfang der Geschichte aus ihnen zu nehmen. Interessanter freilich sind die Völker der Talebenen. In dem Ackerbau allein liegt schon das Aufhören der Unstetigkeit: er verlangt Vorsorge und Bekümmernis um die Zukunft. Somit ist die Reflexion auf ein Allgemeines erwacht, und hierin liegt schon das Prinzip des Eigentumes und des Gewerbes. Zu Kulturländern dieser Art erheben sich China, Indien, Babylonien. Aber da sich die Völker, die in diesen Ländern wohnen, in sich beschlossen haben und das Prinzip des Meeres sich nicht zu eigen machten oder doch nur in der Periode ihrer eben werdenden Bildung und, wenn sie es beschifften, dies ohne Wirkung auf ihre Kultur blieb, so konnte von ihnen nur insofern ein Zusammenhang mit der weiteren Geschichte vorhanden sein, als sie selbst aufgesucht und erforscht wurden. Der Gebirgsgurt des Hochlands, das Hochland selbst und die Stromebenen sind, was Asien physikalisch und geistig charakterisiert; aber sie selbst sind nicht die konkret historischen Elemente, sondern jener Gegensatz steht schlechthin in Beziehung: das Einwurzeln der Menschen in die Fruchtbarkeit der Ebene ist für die Unstetheit, die Unruhe und das Schweifende der Gebirgs- und Hochlandsbewohner das beständige Objekt des Hinausstrebens. Was natürlich auseinanderliegt, tritt wesentlich in geschichtliche Beziehung. - Beide Momente in einem hat Vorderasien und bezieht sich deshalb auf Europa, denn was darin hervorragend ist, hat dieses Land nicht bei sich behalten, sondern nach Europa entsendet. Den Aufgang aller religiösen und aller staatlichen Prinzipien stellt es dar, aber in Europa ist erst die Entwicklung derselben geschehen.
Europa, zu dem wir nunmehr gelangen, hat die terrestrischen Unterschiede nicht, wie wir sie bei Asien und Afrika auszeichneten. Der europäische Charakter ist der, daß die früheren Unterschiede, ihren Gegensatz auslöschend oder denselben doch nicht scharf festhaltend, die mildere Natur des Übergangs annehmen. Wir haben in Europa keine Hochländer den Ebenen gegenüberstehend. Die drei Teile Europas haben daher einen anderen Bestimmungsgrund.
Der erste Teil ist das südliche Europa, gegen das Mittelmeer gekehrt. Nördlich von den Pyrenäen ziehen sich durch Frankreich Gebirge, die in Zusammenhang mit den Alpen stehen, welche Italien von Frankreich und Deutschland trennen und abschließen. Auch Griechenland gehört zu diesem Teile von Europa. In Griechenland und Italien ist lange das Theater der Weltgeschichte gewesen, und als die Mitte und der Norden von Europa unkultiviert waren, hat hier der Weltgeist seine Heimat gefunden.
Der zweite Teil ist das Herz Europas, das Cäsar, Gallien erobernd, aufschloß. Diese Tat ist die Mannestat des römischen Feldherrn, welche erfolgreicher war als die Jünglingstat Alexanders, der den Orient zu griechischem Leben zu erheben unternahm, dessen Tat zwar dem Gehalte nach das Größte und Schönste für die Einbildungskraft, aber der Folge nach gleichwie ein Ideal bald wieder verschwunden ist. - In diesem Mittelpunkte Europas sind Frankreich, Deutschland und England die Hauptländer.
Den dritten Teil endlich bilden die nordöstlichen Staaten Europas, Polen, Rußland, die slawischen Reiche. Sie kommen erst spät in die Reihe der geschichtlichen Staaten und bilden und unterhalten beständig den Zusammenhang mit Asien. Was das Physikalische der früheren Unterschiede betrifft, so sind sie, wie schon gesagt, nicht auffallend vorhanden, sondern verschwinden gegeneinander.
6) Metaphysik I, 2, 982 b
7) *S. Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Religion, 2. Aufl., I, S. 284 u. 289
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